GOCH. Am Ende haben nur knapp 500 Meter gefehlt, doch wegen des schlechten Wetters war der Gipfel des Kilimand­scharo, des höchs­ten Berges in Afrika, an der Grenze zwischen Kenia und Tansania, ausgerechnet am 25. Oktober gesperrt. Wendy Baardman und ihre Begleiter mussten bei 5.421 Metern umkehren – minus 31 Grad und ein horizontaler Schneesturm mit 70 Stundenkilometern Geschwindigkeit machten den Aufstieg einfach zu gefährlich. 2020 möchte Wendy Baardman es erneut versuchen, denn Aufgeben kommt für sie nicht in Frage.

Eine Eigenschaft, die ihr zugute kam, als 1999 nach einem Bruch und anschließenden Komplikationen durch vertauschte Röntgenbilder, ihr rechtes Bein amputiert werden musste. Mit einer herkömmlichen Prothese kam die Kranenburgerin nicht klar, zu stark waren die Schmerzen im Stumpf. Die Aussicht, den Rest ihres Lebens im Rollstuhl zu sitzen, mochte sie aber nicht ohne weiteres akzeptieren: „Ich wollte unbedingt laufen“, erzählt Baardman. Mehrere Jahre dauerte ihre Suche, bis sie in Goch beim Sanitätshaus Mönks und Scheer auf Orthopädietechnikmeister Dirk Rösch traf. Er konnte ihr helfen. Schließlich konnte Wendy Baardman 2012 wieder auf eigenen Beinen stehen und laufen.

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Wendy Baardman hat sich schon mit der ersten Tour einen großen Traum erfüllt.
NN-Foto: Rüdiger Dehnen

Und auf ihrer „Bucket List“ stand seit langer Zeit ein großer Wunsch: Den Kilimand­scharo besteigen. Denn zu Afrika, genauer gesagt Kenia, hat Wendy Baardman eine besondere Verbindung. Sie ist Schatzmeisterin der Stiftung „Freunde der Port Reitz Schule“ in Mombasa. In der Schule mit angeschlossenem Internat kümmert man sich um körperlich und geistig behinderte sowie benachteiligte Kinder und junge Erwachsene. Ins Leben gerufen wurde die Stiftung 2006, auch Mönks und Scheer gehört inzwischen zu den Unterstützern. So halfen Dirk Rösch und der damalige Auszubildende Steffen Lörks 2015 beim Aufbau einer Orthopädie-Werkstatt in unmittelbarer Nähe der Schule und gaben ihr Wissen weiter (die NN berichteten). Hier können nun moderne Prothesen angefertigt werden, die den Betroffenen im wahrsten Sinne des Wortes ein neues Leben schenken. „Die Hilfe zur Selbsthilfe ist hervorragend angenommen worden“, freut sich Dirk Rösch.

Als Wendy Baardman erfuhr, dass im vergangenen Jahr vier Schüler verstorben sind, weil sie nach Verletzungen, zum Beispiel durch Schlangebisse, nicht rechtzeitig ins Krankenhaus gebracht werden konnten, hatte sie eine Idee. Sie wollte ihre Tour mit einer Spendenaktion für einen speziell angepassten Minibus verbinden. Das 26-sitzige Fahrzeug kann auch Rollstuhlfahrer transportieren und als Schulbus genutzt werden. 38.000 kostet es vor Ort. Wendy Baardman suchte also kurzerhand Sponsoren, die eine gewisse Summe pro Höhenmeter spenden. 28.000 Euro sind bis jetzt zugesagt.

Ein Jahr lang hat sich Wendy Baardman in der Bretagne auf die körperlichen Herausforderungen vorbereitet. „Ich hatte ein Haus am Strand gemietet und bin jedenTag über die Felsen gelaufen, immer ein bisschen mehr“, erinnert sie sich. Einer ganz anderen Herausforderung sahen sich Dirk Rösch und seine Kollegen gegenüber. Nachdem die Krankenkasse Wendy Baardman endlich einen neuen Schaft – die Verbindung zwischen Stumpf und Prothese – bewilligt hatte, musste dieser noch angefertigt werden. Am 15. Oktober war er fertig, am 16. Oktober flog Wendy Baardman nach Kenia. Begleitet wurde sie von Familienmitgliedern und Freunden, die sie bei ihrem Unternehmen nicht alleine lassen wollten.

Tief gerührt war die Kranenburgerin zudem, als sie erfuhr, dass die Port Reitz Schule einen Charity Walk mit Rollstühlen mitten durch die Millionenmetropole Mombasa organisiert hatte, um ebenfalls Geld für den Bus zu sammeln. Ein wichtiges Signal gegen Ausgrenzung und Isolation, mit der Aufforderung „akzeptiert uns“, freut sich Wendy Baardman. Mehr Informationen über die Stiftung und die Arbeit der Schule gibt es auf der Homepage www.portreitzschool.eu.

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