Betonreste mitten im Wald als Zeugen der „geheimen“ Muna

Mit Ralfph Trost auf die Spuren der Munitionsanlage in der Hees

XANTEN. Wenn Historiker Ralph Trost über die Muna erzählt, wird die Geschichte der Luftwaffenmunitionsanstalt aus dem Zweiten Weltkrieg (be)greifbar. Annähernd 100 Interessierte folgten ihm am Sonntag – auf Einladung des SPD-Landtagsabgeordneten René Schneider – bei der Spurensuche durch die Hees in Xanten.

Die Ruine eines Arbeitshauses ist noch zu sehen. Ralph Trost (l.) erläutert die Karte, auf der die Gebäude und Anlagen der Muna eingezeichnet sind. René Schneider ist rechts im Bild.
NN-Foto: Lorelies Christian

Eine sehr gemischte Wandergruppe mit Menschen, die den Zweiten Weltkrieg miterlebt hatten und jungen Leuten, die wissen wollten, was es mit den Bunkern und Relikten der Muna auf sich hat. Warum stehen auch heute noch zahlreiche „Betreten verboten“ Schilder in dem Gelände mit dem Hinweis Kampfmittel -Explosionsgefahr und Bunkeranlagen – Einsturzgefahr?
Ralph Trost macht deutlich: „Es ist hier nach wie vor hochexplosiv, man sollte auf gar keinen Fall die Wege verlassen. Sondensucher begeben sich hier in Gefahr, das müsste verboten werden!“ Ungefähr 9 Hektar des Geländes sind umzäunt, der Zugang komplett verboten. Das Gelände gehört dem Bund und wird vom Bundesforstbetrieb Rhein-Weser verwaltet. Leiter Florian Zieseniß gewährt der Besuchergruppe Einblick und erläutert: „Bis vor zwei Jahren hat hier die Bundeswehr die alten Gebäude zur Verwaltung des Fernleitungsvertriebs genutzt. Von hier aus wurde die NATO-Pipeline für Kerosin betreut. Inzwischen stehen die Gebäude leer und der Bund würde am liebsten das Gelände veräußern.“

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Es ist verboten das Gelände zu betreten. Die Doppelbunker sind mitten im Dickicht kaum erkennbar
NN-Foto: L.C.

Doch mit der Vorgeschichte ist das nicht so einfach, einen Interessenten zu finde. Ralph Trost erläutert: „1938 wurde hier die Munitionsanlage geplant. Die Entscheidung fiel für Xanten, weil es hier zwei Bahnhöfe gab, von Birten aus fuhr die Boxteler Bahn nach Wesel und von Winnenthal aus nach Duisburg. Außerdem war der Wald dicht bewachsen, es handelte sich ja um ein hoch geheimes Gelände, das nicht einsehbar sein sollte. 1940 begann der Bau auf dem insgesamt 140 Hektar großen Gelände. Hier wurden 25 Kilometer befestigte Straßen angelegt. In dem damaligen Verwaltungsgebäude, das 1939 erbaut wurde, ist heute das Krankenhaus. Die Fassade ist erhalten, die Türe am Haus St. Katharina noch im Original. Es handelte sich nicht um eine Fabrik, hier wurden keine Bomben gefertigt, sondern Bomben und Luftminen befüllt, zusammengesetzt, gelagert und dann verschickt. Mit 1.200 Beschäftigten war die Muna der größte Arbeitgeber, den Xanten je hatte. Heute sind noch 111 Bunker zu sehen, der größte Teil waren Munitionsbunker, in einigen wurden die Zünder hergestellt. In den fünf Arbeitshäusern wurden die Teile zusammengesetzt, die Munition also scharf gemacht und in die Güterwagen verpackt und zum Bahnhof gebracht.“
Das aufmerksame Publikum stellt viele Fragen, Ralph Trost kann sie alle beantworten und zeigt Bilder aus der Zeit, von der eigentlichen Arbeit existiert allerdings nur eins.
Die älteren Xantener werden den 20. November 1942 nie vergessen. 12 Uhr mittags kam es zur Explosion in der Muna. Ralph Trost erzählt an der heutigen Gedenkstätte von dem tragischen Unglück:„Im Arbeitshaus vier sollte die Bombenmine 1000 hergestellt werden, eine Routinearbeit. Es ist unklar, warum das Unglück passieren konnte, vielleicht ist von einer Dynamo-Taschenlampe ein Funke an den Zünder geraten. Ein fürchterlicher Knall, eine schwarze Rauchwolke, in zwölf Kilometern Umkreis zerbarsten die Fensterscheiben – von dem Arbeitshaus war nichts mehr übrig. 43 Menschen starben, auch von ihnen war nichts mehr zu finden.“ Der Unfall rief die Gestapo auf den Plan. 39 Witwen und über 100 Kinder weinten und doch sie waren zur Verschwiegenheit verpflichtet. „Tragisches Unglück – bei der Arbeit verstorben – so hieß es – größte Geheimhaltung war Pflicht. Im Trauerzug wurden die 43 Särge durch die Marsstraße zum Kleinen Markt getragen – ein Bild des Grauens – Chaos brach aus. Zu viele weinende Gestalten – so das Urteil der Luftwaffe.

Das Denkmal erinnert an die 43 Toten der Explosion. NN-Foto: L.C.

Zur Erhaltung der Menschenwürde und zum Gedenken an die Toten wurde das Denkmal aufgestellt, Josef Röös aus Xanten hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Stätte allwöchentlich zu pflegen, in all den Jahren ganz selbstverständlich.
Und doch ist die Geschichte der Muna damit noch nicht zu Ende erzählt. Als die Alliierten immer näher rückten, verlegte die Luftwaffe 1944 die Muna nach Martinsroda in Thüringen. Dabei kam es zu einem weiteren Explosionsunglück, bei dem 35 Soldaten starben. 1948 wurden die Anlagen in der Hees durch die Alliierten vollständig zerstört, die Munition mit Lkw zum Atrhein nach Birten gefahren und dort entsorgt. Ein Dokument aus 1953 spricht davon, das 8.000 Tonnen Sprengstoff im Wasser versenkt wurden. Dort liegen sie bis heute im Schlamm (als tickende Zeitbombe).
Ralph Trost hat seinen Zuhörern Einiges zugemutet an dem wunderschönen Sommertag beim Waldspaziergang und er will nicht, dass die Gruppe mit diesen bedrückenden Gefühlen nach Hause geht. Auf dem Rückweg macht er noch einmal einen Stopp am Krankenhaus und betont: „In diesem ehemaligen Muna-Gebäude ist nun unser hochmodernes Krankenhaus, das in den Rankinglisten ganz oben steht. So ist doch aus etwas vollkommen Sinnlosem noch etwas sehr Sinnvolles geworden!“
Applaus für Ralph Trost für die sehr informative und kurzweilige Führung und ein Dankeschön an René Schneider für die Einladung zu diesem besonderen Ort.

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