Kuckuck, Herr Koekkoek

KLEVE. Herr Koekkoek ist – betrachtet man es vom Standpunkt der Biologie aus – irgendwie aus den Fugen geraten: Kopf, Füße und Hände – zu groß. Aber: Herr Koekkoek muss sich um die Biologie nicht scheren. Er ist da wie die Hummel: Eigentlich heißt es, können Hummeln gar nicht fliegen. Herr Koekkoek – nennen wir es beim Namen – ist eine Puppe. Puppen gehorchen anderen Proportionen. Es wie wie bei Donald, der Ente: Vier Finger. Niemand meckert.
Herr Koekkoek gehört künftig zum Personal eines Hauses, das seinen Namen trägt. Herr Koekkoek ist – wie soll man sagen – eine Art Puppenclon. Er hat sich aus dem Zweidimensionalen davongemacht ins Dreidimensionale. Schließlich war ‚das Original‘ ein Mensch wie du und ich. Der Clon: Über einen Umweg generiert, der zum Original passt. Barend Cornelis Koekkoek – den meisten Klevern wird man‘s nicht erklären müssen – war Maler und lebte von 1803 bis 1862. Fotos von ihm existieren daher nicht.
Wer einen Koekkoek kopieren will, muss über die Leinwand kommen. Eben so hat es der Bildhauer (und Schreiner) Holger Heisterkamp aus Bedburg-Hau gemacht. Der Auftrag: Eine Museumspädagogikmarionette – eine, die (vorwiegend junge) Besucher mitnimmt.
Mitnehmen im Sinne von begeistern. Heisterkamp war kein Spezialist in Sachen Puppen und besuchte daher erst einmal das Düsseldorfer Puppentheater: Studienreise. Tipps einholen. Zu nennen wäre die Sache mit den Gewichten am Ellenbogen. Sie sorgen dafür, dass die Puppe beim Spielen und Gespieltwerden Haltung bewahrt. Heisterkamp hatte das Leinwandvorbild und … kopierte den Landschaftsmaler ziemlich perfekt. Aber: Was nützt die schönste Puppe, wenn sie nichts anhat. „Gut, dass wir talentierte Menschen im Haus haben“, sagt Koekkoek-Haus-Chefin Ursula Geisselbrecht-Capecki und spricht von Josefa Vollmers. Die Vollmers schneidert gern und hat für die Puppengarderobe gesorgt. Herr Koekkoek – das sei gleich gesagt – ist hinreißend. Zum Verlieben.
So soll es sein, denn Herr Koekkoek „soll demnächst die Zeit-Erlebnis-Reise der Grundschulklassen begleiten, die das Haus besuchen. Vier Museumspädagogen haben sich als Puppenspieler und Museumsführer eingearbeitet, um den Meister authentisch zu verkörpern und das junge Publikum in die Zeit der Romantik zu entführen“, heißt es in einer Pressemitteilung des Haus Koekkoek und man denkt: Sollte klappen. Erfahrungen brauchen Ankerpunkte – Projektionsflächen. Puppen sind das perfekte Instrument: Zeitreisenbegleitpersonal. (Das wissen wir nicht erst seit der Sesamstraße.) Natürlich: Eine Puppe allein macht noch keine Pädagogik, aber man darf gewiss sein, dass die Koekkoek-Mannschaft, die eigentlich überzahlig eine Frauschaft ist, sich einiges hat einfallen lassen.
Und da es – anders als im „Nachbarhaus“ Museum Kurhaus Kleve – bei den Koekkoekern keine Wunderkammer (und also keine Räumlichkeiten zur direkten künstlerischen Ertüchtigung der Pädagogik-Gäste) gibt, wird auch ein Besuch „zuhause“, sprich: in den Schulen angeboten. Aber: Tit for Tat. Das ist Englisch und heißt so viel wie: Zug um Zug. Heißt: Wer nicht zuerst ins Museum kommt, kann keinerlei Besuchsansprüche geltend machen.
Muss über Geld gesprochen werden? Eigentlich nicht. Und dann wieder doch. Tue Gutes und rede darüber: Das gilt für die Sparkassenstiftung (Mitfinanzierung der Marionette), Rotary Club Kleve (hat sich bereit erklärt ein Drittel zu den Fahrtkosten der Klassen beizusteuern), der Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus unterstützt mit der Gestaltung und dem Druck eines Werbefaltblattes zum Projekt und einem Teilbetrag zur Marionette. Auch die Stadt ist unterstützend im Puppenboot. Das Angebot richtet sich im Rahmen des Förderprogramms „Kulturstrolche NRW“ besonders an Grundschulklassen 2 bis 4. Susanne Geisselbrecht-Capecki: „Es kann aber natürlich auch privat gebucht werden. Übersetzung: Herr Koekkoek ist käuflich. Aber sowas von. Und dann auch wieder nicht. Herr Koekkoek ist mietlich. Und eigentlich mietet man ihn, indem man museumspädagogische Einheiten bucht.
Museale Werbung klingt dann so: „Die Marionette B. C. Koekkoek geht mit auf eine Zeitreise in die Welt der Romantik. Der Besuch im B. C. Koekkoek-Haus wird zum Erlebnis! Mit theaterpädagogisch-spielerischem Ansatz wird besonders auf die jungen Besucher eingegangen. Es entstehen Gespräche und spontane Spielsituationen.“ Zum merkantilen Teil dieses: Bei einer Gruppenstärke von höchstens 30 Personen sind 90 Euro zu zahlen. 90 Minuten dauert der Erlebnisparcours Romantik. Soll Herr Koekkoek der Schule anschließend einen Besuch abstatten (nur buchbar in Vor- und Nachbereitung mit einem Muesumsbesuch), sind noch einmal 90 Euro zu zahlen. Bleibt zu hoffen, dass Herr Koekkoek zum perfekten Lockvogel wird. Das Zeug dazu hat er allemal.
Heiner Frost

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