Schöner wohnen „In der verkehrten Welt“

Heimatkundler Werner Kehrmann verfasste ein spannendes Buch über Rheinbergs historische Häusernamen und deren Geschichte

RHEINBERG. Bevor die Häuser in deutschen Städten mit Hausnummern versehen wurden, trugen sie zur Unterscheidung Häusernamen oder Hauszeichen. Die Schriftzüge und bildlichen Darstellungen, meist aus Stuck am Giebel angebracht, dienten Postboten, Handelsvertretern oder Reisenden zur besseren Orientierung, zumal die Mehrheit der Menschen nicht lesen konnte. Die Namen erleichterten es außerdem den Kurfürsten, die steuerpflichtigen Bewohner zur Kasse zu bitten. Auch die Rheinberger, die bis 1803 dem Kurfürstenturm Köln angehörten, mussten Hauszeichen und Häusernamen an den Fassaden anbringen.

Werner Kehrmann (links) präsentiert vor Jan Noordams Haus „Im reisenden Mann“ das neue Buch über Rheinbergs historische Häusernamen. Setzermeister Bernhard Evers druckte das Buch, dessen bunter Titel vom Grafiker Ludger Jackowiak gestaltet wurde.NN-Foto: Michael Scholten

„Vermutlich trugen in Rheinberg 370 Häuser solche Namen“, sagt Werner Kehrmann. 110 davon hat er für sein Buch „Geschichten hinter den Fassaden – Historische Häusernamen in Rheinbergs Innenstadt“ erforscht. Kehrmanns Fleißarbeit fußt auf einer Namensliste, die 1883 vom damaligen Bürgermeister Schmitz erstellt wurde und zu der Rheinbergs stellvertretender Stadtdirektor Heinz Janssen später einen Aufsatz für das Kreisjahrbuch 1959 schrieb.
Kehrmann studierte seit 2015 alte Urkunden, ließ sich von Stadtarchivarin Sabine Sweetsir beim Deuten der Sütterlin-Texte helfen und liefert nun auf 144 Seiten Beweise oder fundierte Vermutungen, wie die Häuser in der Altstadt zu Namen wie „In der verkehrten Welt“, „Im Regenbogen“, „Im holländischen Wagen“ oder „In der goldenen Hand“ kamen. Grafiker Ludger Jackowiak entwarf das Cover mit weißem Raben, rotem Hirsch, grünem Apfel und blauer Hand, Setzermeister Bernhard Evers verantwortete das Layout und den Druck der ersten Auflage von 200 Exemplaren. Die sind zum Stückpreis von vier Euro in der Sparkasse an der Bahnhofstraße, in der Bäckerei Bergmann an der Xantener Straße und bei Creaktivo, Zu den Stationen, erhältlich.
Für die Buchpräsentation wählte Werner Kehrmann das Alten- und Pflegeheim Am Kattewall an der Orsoyer Straße. Denn Betreiber Jan Noordam hat bereits getan, was Kehrmann sich von vielen Rheinbergern wünscht: Er hat die historischen Namen seiner im 18. Jahrhundert erbauten Häuser in großen Lettern auf die Fassaden streichen lassen: „Im reisenden Mann“ und „In der Stadt Amsterdam“. Der erste Name deutet auf einen früheren Hotelbetrieb hin, der zweite auf die niederländischen Wurzeln des Hausbesitzers.
Über kurz oder lang möchte Werner Kehrmann eine Stadtführung um Thema Häusernamen anbieten. Denn bei vielen historischen Führungen, die er in der Gewandung des mittelalterlichen Gelehrten Amplonius Rating de Berka gibt, hat er festgestellt, dass ihn die Gäste höchst interessiert nach der Bedeutung der teils kuriosen Namen fragen.
Obwohl einst fast alle deutschen Städte Hauszeichen und Häusernamen hatten, nutzt bislang nur Konstanz am Bodensee diesen Aspekt touristisch aus. „Dort sind die Namen und Zeichen teilweise richtig kunstvoll gestaltet“, lobt Werner Kehrmann und wünscht sich solch ein „Alleinstellungsmerkmal“ auch für Rheinberg. In seiner Funktion als zweiter Vorsitzender des Heimatvereins Rheinberg hat der pensionierte Wasserschutzpolizist die heutigen Besitzer vieler alter Häuser gebeten, die historischen Namen wieder an die Fassaden zu schreiben. Ende April wollen Werner Kehrmann und Ludger Jackowiak im Stadthaus darüber informieren, welche Maler- und Schmiedearbeiten die Denkmalbehörde akzeptiert und wie bis zu 50 Prozent der anfallenden Kosten durch Förderprogramme für die Innenstadtsanierung erstattet werden können.
Viele Rheinberger seien „Feuer und Flamme“ für diese Idee, sagt Werner Kehrmann, auch wenn die Besitzerin eines Eckhauses an der Orsoyer Straße gar nicht davon begeistert sei, künftig „In der Hölle“ zu wohnen. Dabei komme der Name des früheren Wirtshauses lediglich daher, dass dort einst an Aschermittwoch der Hoppeditz verbrannt wurde, weiß Kehrmann.
Der 69-Jährige möchte dazu beitragen, dass eine Vielzahl der Häusernamen wieder in den Sprachgebrauch der Rheinberger zurückkehren: „Wenn man heute sagt: Ich fahre zum Konzert im ,Schwarzen Adler‘, weiß jeder, was gemeint ist. Mein Ziel ist es, dass uns auch andere Häusernamen wieder vertrauter werden. Dann kauft man halt seine Bücher ,Im wilden Mann‘ oder lässt sich ,Zum roten Pferd‘ die Haare schneiden.“ Vor allem aber soll das Sichtbarmachen der alten Namen – wie einst zu kurkölnischen Zeiten – die Kassen klingeln lassen: „Solche Aktionen bringen Touristen in die Stadt, Touristen lassen Geld hier, und Geld ist das, was Rheinberg gut gebrauchen kann“, sagt Werner Kehrmann.

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