Über Bande oder: With a litte help from my friends

KREIS KLEVE. Geschichten sind wie Autos: Manchmal springen sie nicht gleich an. Manchmal fehlt es ihnen an Gewicht und manchmal fehlt die Anbindung …
Anbindung? Da gibt es diese Theorie, dass jeder Mensch mit jedem x-beliebigen anderen über höchstens fünf Stationen zu verbinden ist. Um eine Verbindung zu Zoja zu finden, reicht eine Station. Zoja ist sechs Jahr alt und lebt in einem Slum in Delhi, Indien. Die Schaltstelle: Karl Meurs. Meurs ist 65 Jahre alt und lebt in Frasselt, Deutschland (Kreis Kleve, Kranenburg). Die Verbindung von Meurs zu Zoja lässt sich über die Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe herstellen. Deren Sitz ist eigentlich in Würzburg, aber die „Aktionsgemeinschaft Kreis Kleve im DAHW“ unterstützt seit mittlerweile 45 Jahren die Arbeit der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe. Das Kürzel DAHW stammt aus einer Zeit, da die Worte andere Gewichte hatten. Niemand würde heute mehr vom Deutschen Aussätzigenhilfswerk sprechen – und doch ist die Abkürzung geblieben.

Am Rand des Lebens
Fünf Mal ist Karl Meurs seit 1983 in Indien gewesen. Fünf Mal hat er sich auf die Spuren der Hilfe begeben und Menschen getroffen – viele Menschen. Menschen, die auf der Rückseite der Tage geboren wurden und in Verschlägen irgendwo in indischen Slums leben. Menschen aber auch, die sich aufgemacht haben, den anderen zu helfen. Gerade ist Meurs aus Indien zurückgekehrt. Er hat Zoja getroffen. Ein kleines Mädchen, das an Tuberkulose erkrankt ist. Sie lebt in Ost-Delhi. Shastri Park ist – anders als der Name es vermuten lässt – ein Slum. Zoja lebt am Rand. Es ist nicht nur der Rand der Stadt – es ist irgendwie auch der Rand des Lebens. Zur Schule geht sie aufgrund der Krankheit nicht mehr. Man kann ihr helfen. Sie braucht Medikamente. Die werden vom Staat gestellt. Sechs Monate muss Zoja ihre Tabletten einnehmen. Regelmäßig. „Aber die Medikamente allein sind noch nicht die Lösung“, sagt Meurs. Zojas Vater: Rikschafahrer.
Zoja steckt in keinem geregelten Leben. „Daher geht es neben den Medikamenten vor allem auch um die Strukturen“, erklärt Meurs und während man über Strukturen als eine Art Sache nachdenkt, begreift man, dass das Wort Strukturen besser durch das Wort Menschen zu ersetzen ist. „Hier greift die Lepra- und Tuberkulosehilfe ein“, sagt Meurs.
Da sind Menschen, die an eben jene Orte gehen, wo selten Mitarbeiter der Gesundheitsbehörden auftauchen. Es sind Orte, an denen Menschen wie Zoja und ihre Eltern leben. „Hilfe hat immer etwas mit Menschen zu tun. Menschen können für Strukturen sorgen – maßgeschneiderte Strukturen, gemacht von Menschen, die sich mit den Verhältnissen vor Ort auskennen.“ Das ist Meurs‘ Credo. „Ich wüsste doch gar nicht, wo ich ansetzen müsste.“ Es ist so, als wenn ein Ozeanriese einen Hafen anläuft: Nichts geht ohne Lotsen.
Meurs: „Es geht aber nicht nur um die Strukturen in Indien. Auch hier werden Strukturen gebraucht.“ Die „Aktionsgemeinschaft“ ist eine solche Struktur – Menschen, die sich einsetzen. Strukturen hier machen Strukturen dort erst möglich.

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Strukturn
Zwei Stationen also bis zu einem Slum in Indien, in dem ein kleines Mädchen lebt, dem – wie vielen anderen Betroffenen – zu helfen ist, wenn Menschen nur die richtigen Wege kennen. Karl Meurs: „In den 45 Jahren, die wir die Lepra- und Tuberkulosehilfe unterstützen, sind eben diese Strukturen gewachsen – von Menschen aufgebaut.“ Dass ein Mädchen wie Zoja nicht nur ihre Medikamente erhält, sondern dass auch jemand nach der Familie schaut und merkt, was außer Medizin gebraucht wird – das macht den Unterschied. Zojas Vater fährt eine E-Rikscha, die das DAHW ihm im Rahmen eine sozioökonomischen Hilfsprogramms zur Verfügung gestellt hat. Es geht darum, das Familieneinkommen zu verbessern. Strukturen für das Leben.
Zoja ist „nur“ ein Beispiel – eines, zu dem ein Gesicht gehört und eine Geschichte. Karl Meurs: „Weltweit gibt es zehn Millionen Tuberkulose-Neuerkrankungen. Eine Millionen der Erkrankten sind Kinder.“
Am 24. März, ist Welt-Tuberkulose-Tag. Wer die Aktionsgemeinschaft Kreis Kleve, deren Schirmherr übrigens Landrat Wolfgang Spreen ist, unterstützen möchte, kann das über eine Spende tun und dazu Karl Meurs anrufen (Telefonnummer: 02826/7543).
Es ist wie beim Billard. Gespielt wird über Bande. Zwei Stationen sind es bis zu Zoja und während auf dem Bildschirm eine Geschichte in Gang kommt, spielen sie im Radio die Beatles. With a little help from my friends. Man hätte es nicht besser erfinden können.

Infos zur Tuberkulose
Weltweit wurden im Jahr 2016 circa 10 Millionen Tuberkulose-Neuerkrankungen gezählt (darunter rund eine Million Kinder). 1,8 Millionen Menschen fielen im selben Jahr der Krankheit , die als Todesursache weltweit ab 10. Stelle steht, zum Opfer. 64 Prozent aller Erkrankungen entfallen auf sechs Länder, bei denen Indien an erster Stelle steht. (Es folgen Indonesien, die Phillipinen, Pakistan, Nigeria und Südafrika. Von den 2016 erkrankten eine Million Kinder überlebten 250.000 die Krankheit nicht. Zwischen 2000 und 2016 wurden geschätzte 53 Millionen Menschen durch rechtzeitige Diagnose und anschließende Behandlung gerettet. Heiner Frost
Spender wenden sich bitte an Karl Meurs, Telefon 02826/7543 oder finden die Bankverbindung auf der Internetseite www.dahw-kleve.de. Heiner Frost

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