„Abtreibungen sind im Kreis Kleve ein Tabu-Thema“

Die Kreis Klever AWO stellt die Beratungszahlen für 2017 vor / 213 Frauen dachten über Abtreibung nach

KLEVE. Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) im Kreis Kleve hat im vergangenen Jahr 1082 Gespräche mit Frauen über Schwangerschaft und Schwangerschaftskonflikte geführt. Insgesamt kamen 633 Personen zur kostenlosen und auf Wunsch auch anonymen Beratung an den Hauptstandort in Kleve und nach Geldern.

Beraten Frauen im ganzen Kreis Kleve: Sozialpädagogin Milena Wehren und Leiterin Nicole Saat. NN-Foto: SP

Diese Zahlen sind wie in den Vorjahren in etwa konstant geblieben. Ein wenig überraschend ist jedoch, dass von den 213 Frauen, die über einen Schwangerschaftsabbruch nachdachten, nur sechs minderjährig waren. Das sah vor zehn Jahren noch ganz anders aus. „Damals lagen wir mit fast neun Prozent weit über dem Landes-Durchschnitt. Mittlerweile sind wir mit 3,8 Prozent im durchschnittlichen Bereich”, sagt Nicole Saat, Leiterin der Beratungsstelle für Schwangerschaft, Partnerschaftsfragen und Familienplanung der AWO im Kreis Kleve.

-Anzeige-

Die Gründe für den Rückgang seien schwierig zu nennen. Es könne aber an der Prävention liegen, welche die AWO ebenfalls betreibt, meint Saat. So ist der Klever Kreisverband mit einem sexualpädagogischen Projekt an den Kreis Klever Schulen unterwegs. In der vierten und achten Klasse klären die AWO-Mitarbeiterrinnen über den Körper und Sexualität auf. 2017 erreichten sie damit insgesamt 980 Jugendliche.

Zur Schwangerschaftskonfliktberatung kommen dagegen sehr häufig deutlich ältere Frauen. Die meisten von ihnen, die wegen eines möglichen Schwangerschaftsabbruchs Rat bei der Arbeiterwohlfahrt suchen, sind heutzutage zwischen 27 und 34 Jahren alt. „Die Gründe für ihre Überlegung liegen ganz oft im finanziellen und beruflichen Bereich”, weiß Saat. Die Frauen seien nach einer ungeplanten Schwangerschaft ganz einfach in Sorge um ihre finanzielle und berufliche Lebenssituation. Die weiteren Gründe für die Inanspruchnahme der Beratung seien eine abgeschlossene Familienplanung und partnerschaftliche Probleme.

Im Kreis Kleve sei es allerdings immer noch ein Tabu-Thema, wenn eine Frau über eine Abtreibung nachdenke, sagt Saat. „Wir erleben ganz häufig, dass Frauen zu uns kommen und sagen, dass sie mit ihrem engsten Familienkreis und den Freunden nicht darüber reden können, weil sie ja nicht wüssten, wie sie darüber denken”, berichtet die Leiterin der Beratungsstelle für Schwangerschaft, Partnerschaftsfragen und Familienplanung der AWO im Kreis Kleve. In Großstädten sei das anders.

Nicole Saat fordert darüber hinaus, dass der Paragraf 219a außer Kraft gesetzt wird. Dieser verbietet zum Beispiel einem Arzt auf seiner Website anzugeben, dass er Schwangerschaftsabbrüche vornimmt. Nach Auslegung des Gesetzes in einem aktuellen Sachverhalt falle dies nämlich unter Werbung, die der Paragraf 219a aber verbiete, erklärt Saat. „Wir sehen das aber nicht als Werbung, wenn Ärzte Auskunft darüber geben, dass sie jene Dienstleistung durchführen. Es entwirft ein negatives Frauenbild, wenn man behauptet, Frauen würden dadurch in ihrer Entscheidungsfindung beeinflusst werden”, findet die Beraterin und fügt hinzu: „Uns ist wichtig, dass Frauen die Möglichkeit bekommen, sich objektiv über Schwangerschaftsabbrüche zu informieren.”

Bei der AWO im Kreis Kleve können Frauen unter Telefon 02821/9768377 einen kostenlosen Beratungstermin in Kleve oder Geldern nach Wunsch vereinbaren. Dies gilt auch für Frauen, die sich zum Thema Familienplanung beraten lassen möchten oder für junge Frauen, die sich über Verhütung informieren wollen. Bei Schwangeren bietet die AWO auch über die Geburt hinaus persönliche Beratungen an.

Vorheriger ArtikelDie Grenzland-Draisine startet in ihre elfte Saison
Nächster Artikel36-jähriger Gelderner verkaufte Drogen über das “Darknet”