Anwälte sehen im Prozess um

Schlüsseldienste keinen Betrug

Sie sind der Meinung, dass ihre Mandanten in allen Anklagepunkten unschuldig sind

GELDERLAND. Zwei völlig unterschiedliche Auffassungen vertreten die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung im Prozess gegen zwei Betreiber eines in Geldern ansässig gewesenen Unternehmens für Schlüsseldienstleistungen (die NN berichtete). Während die Staatsanwaltschaft den Beschuldigten unter anderem (bandenmäßige) Steuerhinterziehung, Betrug und Wucher vorwirft, sagen die insgesamt fünf Rechtsanwälte der Angeklagten, dass ihre Mandanten unschuldig sind.

Der 39-jährige Weezer im Gespräch mit seinem Anwalt. NN-Foto: Sabrina Peters

Warum sie dieser Auffassung sind, begründete Prof. Dr. Falk Würfele in einer Verteidiger-Erklärung. Er vertritt den 57-jährigen Angeklagten, der gebürtig aus Geldern stammt, zuletzt aber in Portugal gemeldet war. „Eine Strafbarkeit kann nicht vorliegen, da kein Steuerschaden entstanden ist”, sagte Würfele zur Steuerhinterziehung, die den ersten Teil der Anklage betrifft. Außerdem könne auch kein Vorsatz vorgelegen haben, da „gar kein Vorteil erlangt werden konnte”, so Würfelen weiter.

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Zudem bemängelte der Rechtsanwalt, dass die Monteure, welche vor Ort die Türen öffneten, im ersten Teil der Anklage als Selbstständige gesehen würden, im zweiten Teil der Anklage (Vorenthaltens von Sozialabgaben) aber als abhängig beschäftigte. „Die Gesamtschau ergibt eine Selbstständigkeit der Monteure”, meinte Würfele. Wie später noch der 39-jährige Beschuldigte aussagte, hätten die Mitarbeiter im Gelderner Callcenter die Anrufe der Leute entgegen genommen, die sich ausgeschlossen hatten. Den entstandenen Auftrag hätten sie anschließend an die kooperierenden selbstständigen Monteure in der Nähe des jeweiligen Einsatz-Ortes weitergeleitet. Sie seien dann ausgerückt, hätten die Türe geöffnet, die Rechnungen geschrieben und die Abrechnung mit dem Kunden durchgeführt. Alles sei vor Ort geschehen.

Allerdings führte diese Vorgehensweise zu weiterem Ärger. Denn viele Kunden fühlten sich über den Tisch gezogen, weil sie für die Tür-Öffnung Beträge bis in den vierstelligen Bereich zahlen mussten. Die höchste Rechnung belief sich auf 3167 Euro. Insgesamt klagt die Staatsanwaltschaft Betrug und Wucher in über 1.000 Fällen an, die bundesweit verteilt liegen.

Prof. Dr. Falk Würfele sah darin jedoch keinen Betrug, der zu Lasten der Angeklagten geht. Denn dieser setze auch eine Zwangslage voraus. „Ausgesperrt zu sein ist zwar sicherlich unangenehm, aber es ist keine Zwangslage”, begründete Würfelen. Die Geschädigten hätten zudem jederzeit das Recht gehabt, sich über die Kosten vor dem Öffnen zu informieren und dann gegebenenfalls zu einen anderen (günstigeren) Schlüsseldienst zu gehen.

Der 57-jährige Angeklagte schwieg ansonsten zu den Vorwürfen. Der 39-Jährige beantwortete dagegen bereitwillig die Fragen des vorsitzenden Richters Christian Henkel am zweiten Prozesstag. Er habe sich im Januar 2007 auf eine Stellenanzeige eines Callcenters in Geldern, das einen Teamleiter suchte, beworben und eine Zusage erhalten. Ihm sei auch mitgeteilt worden, dass eigentlich ein Geschäftsführer für ein Unternehmen für Schlüsseldienstleistungen gesucht werde. Dies sei er dann im März 2007 geworden. „Da es dieses Unternehmen vorher nur im Handelsregister gab, war das kein großes Risiko”, sagte der 39-jährige Weezer. Also habe er das Unternehmen von Grund auf aufgebaut und intensiv „den Markt beobachtet”. Mittels Werbe-Anzeigen in den Gelben Seiten und später auch im Internet habe er für Schlüssel-Notdienste bundesweit geworben. Je nach Stadt sind auf den Werbe-Anzeigen, die das Gericht zeigte, unterschiedliche Telefonnummern und teilweise fiktive Schlüsseldienste innerhalb einer Anzeige, die wie aus mehreren Kleinanzeigen zusammengesetzt aussieht, zu sehen. Der 39-jährige Angeklagte begründet dies damit, dass so viele Kunden angelockt werden konnten. Alle Anrufe seien aber in die Zentrale nach Geldern durchgestellt worden.

Der 57-jährige Beschuldigte sei bei ihm angestellt gewesen. Er habe einiges an Kontakten und Wissen mitgebracht, was er selbst nicht gehabt habe. Deshalb habe der gebürtige Gelderner auch eine Vollmacht erhalten, im Namen des Unternehmens tätig werden zu dürfen. Allerdings, so betonte der 39-Jährige, sei er der Geschäftsführer gewesen und nicht in Wahrheit der 57-Jährige.

Der 39-Jährige führte, ebenso wie noch andere Mitarbeiter des Unternehmens, weitere Unternehmen. Eins davon befasste sich sogar mit Schlüsseldienstleistungen und Sicherheitstechniken rund um Häuser. In den nächsten Monaten werden weit über 100 Zeugen angehört, darunter auch Mitarbeiter des Unternehmens für Schlüsseldienstleistungen und Monteure. Sie warten zum Teil selbst auf ihre Prozesse.

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