Ist Landrat Dr. Ansgar Müller
im ständigen Spagat?

Interview zu den unterschiedlichen Rollen des Behördenleiters und Politikers

KREIS WESEL. Befindet sich Landrat Dr. Ansgar Müller bei Erfüllung seiner sehr unterschiedlichen Aufgaben im ständigen Spagat? Dieser Frage ging NN-Redakteurin Lorelies Christian im Interview mit dem Landrat nach.

Dr. Ansgar Müller, Landrat des Kreises Wesel Foto: privat

Unter dem Oberbegriff „Spagat“ möchte ich Sie heute zu unterschiedlichen Aufgabenfeldern befragen

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Müller: Unter Spagat stelle ich mir etwas sehr Anstrengendes vor. Meine Tätigkeit erlebe ich nicht als Bewältigung eines Spagats, sondern die Vielfalt, die der Kreis Wesel zu bieten hat, ist für mich sehr bereichernd, anregend und spannend.

Kommen Sie denn nicht durch die Lage des Kreises in den Spagat, einerseits direkt am Ruhrgebiet und andererseits zur sehr ländlich geprägten Region?

Müller: Überhaupt nicht, die Vielfalt ist ein großer Vorteil. Im Süden des Kreises denken und sprechen die Menschen wie im Ruhrgebiet, im Norden denken und sprechen sie als Niederrheiner. Es sind ganz vielfältige Themen und Sachverhalte, die ich mit den Menschen im Kreis bespreche, und gerade das finde ich spannend. Viele sind aus dem Ruhrgebiet in den Kreis Wesel gezogen, haben noch ihre Familien dort oder arbeiten dort, schätzen aber hier die Lebensqualität. Der Kreis lebt von den Vorteilen seiner Lage. Menschen und Unternehmen profitieren davon. So haben wir den Strukturwandel gut geschafft und deutlich mehr sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze als zu Zeiten des Bergbaus, obwohl in Höchstzeiten alleine bei Rheinpreußen in Moers gut 11.000 Kumpel beschäftigt waren. Inzwischen haben sich viele Logistik-Unternehmen bei uns angesiedelt und kleinere Firmen übernehmen beispielsweise IT- oder Wartungsarbeiten für große Firmen, die sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren. Wir sind also sozusagen die Gewinner der Arbeitsteilung, das ist eine große Stärke des Kreises Wesel. Zugleich bin ich beispielsweise mit dem Fahrrad sehr gerne am Niederrhein unterwegs. Wir im Kreis Wesel haben die Lagegunst, können ein riesiges, vielfältiges kulturelles Angebot nutzen und gleichzeitig die Natur am Niederrhein. Es gibt kaum einen Lebensort wie den Kreis Wesel, bei dem beides so eng beieinander liegt.

Sie sind einerseits Behördenleiter andererseits politischer Repräsentant – gibt‘s hier für Sie Assoziationen zum Spagat?

Müller: Nein, alle Aktivitäten einer öffentlichen Behörde sind Gegenstand öffentlicher Debatte und Kontrolle. Sie müssen in Verantwortung vor der Bürgerschaft geschehen und der öffentliche politische Fokus gehört dazu. Das muss auch so sein in unserer Demokratie.

Aber ist es denn nicht schwierig als Verwaltungschef zum Beispiel Personalentscheidungen mit Politikern diskutieren zu müssen?

Müller: Auch ein Vorstandvorsitzender einer AG muss sich dem Aufsichtsrat erklären und kann nicht alleine entscheiden. Landrat und Kreistag sind beide demokratisch gewählt, das Zusammenspiel ist auf Augenhöhe. Ich sehe es als meine Kernaufgabe an, mein Vorgehen der Öffentlichkeit zu erklären. Alle Entscheidungen sind öffentlich. So funktioniert Demokratie, ein mühsamer Prozess, der sich aber lohnt, wenn Sie sich in der Welt umschauen und sehen, wie es in autoritär regierten Staaten zugeht. Wir müssen das freiheitliche Denken im liberalen Staat schützen.
Allerdings kommt es auf die Art und Weise an, wie wir miteinander umgehen. Da sind Verbesserungen nötig.

Gibt es für Sie einen Spagat zwischen der rechten und der linken Rheinseite?

Müller: Beide Seiten sind fast identisch groß und haben fast die gleichen Einwohnerzahlen, so dass keine Seite dominiert. Als der Kreis Wesel 1975 geschaffen wurde, ging es darum, eine Verwaltungseinheit zusammenzuführen ohne Rücksicht auf Heimatgefühle. Ich sehe es nicht als mein vorrangiges Ziel, dass die Zugehörigkeit zum Kreis Wesel für die Menschen, die hier leben, zu einer Herzensangelegenheit wird. Sie werden immer als erstes ihren Heimatort nennen, wenn sie gefragt werden, woher sie kommen. Wenn sie zu schätzen wissen, dass man im Kreis Wesel gut lebt und der Kreis zu ihrer Daseinsvorsorge beiträgt; dann bin ich zufrieden. Und wenn sie sich dann noch als Niederrheinerinnen oder Niederrheiner fühlen, bin ich völlig froh.

Ist denn ein Spagat notwendig, zwischen Repräsentationspflichten und Privatleben?

Müller: Ja, das ist ein echter Spagat. Natürlich wusste ich bei Amtsantritt um die hohe Arbeitsbelastung des Amtes. Ich muss mir immer wieder ganz bewusst Freiräume für die Familie und für die Erholung schaffen.

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