Christian Olding feiert mit seinem Buch Erfolge. NN-Foto: Theo Leie

NIEDERRHEIN. Kaplan Christian Olding hat sich durch seine modernen Gottesdienste einen Namen in Geldern und zuvor in Emmerich gemacht. In dieser Woche stellte er auf der Frankfurter Buchmesse sein Buch „Klartext, bitte! Glauben ohne Geschwätz” (Herder-Verlag, 20 Euro) vor, das es inzwischen in die Spiegel-Bestseller-Liste geschafft hat. Gleich nach der Rückkehr aus Frankfurt trafen ihn die Nieder­rhein Nachrichten zum Interview.

Welche Vorgeschichte hat das Buch?

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Christian Olding: Der Verlag schrieb mich in meinem Sommerurlaub an und lud mich nach München ein. Ich dachte erst, die haben sich vertan, denn Herder ist für Theologen wirklich eine große Hausnummer. Papst Benedikt XVI. hat dort seine Bücher veröffentlicht. Der Verlag war auf das „v-Projekt” und auf meine Beiträge für katholisch.de aufmerksam geworden und konnte sich vorstellen, dass wir gemeinsam etwas auf den Weg bringen.

Der Verlag schreibt in seinem Pressetext: „Christian Olding gilt den einen als charismatischer Reformer und den anderen als dickköpfiger Rebell.” Was sind Sie denn nun?

Olding: Ich glaube, ich kann beides bedienen. (lacht)

Sie werden auch gern als „Pop-Kaplan” bezeichnet.

Olding: Das ist nicht meine Wortschöpfung. Der Name kommt von einer lieben Dame vom WDR. Sie wollte damit zum Ausdruck bringen, dass man Menschen jeden Alters durch den Einsatz von Populärkultur wieder für die Kirche und den Glauben begeistern kann. Ich erfinde ja keine neuen Glaubensinhalte, die es nicht auch schon vor Jahrhunderten gab. Ich suche nur nach neuen Wegen, um diese Glaubensinhalte zu vermitteln.

In welches Regal sollen Buchhändler Ihr Buch einsortieren: bei „Biographien” oder „Ratgebern”?

Olding: Es ist durchaus eine Biographie, in der auch die unschönen Dinge meines Lebens vorkommen. Und darin liegt vermutlich der Mehrwert für den Leser: Anhand des Weges, den ich gegangen bin, erkennt er vielleicht eine Perspektive für sein eigenes Leben und für seine Beziehung zu Gott.

Sie schreiben im Buch sehr offen über den Freitod Ihres Vaters.

Olding: Ohne diesen tiefen Einschnitt in meinem Leben wäre ich heute nicht derjenige, der ich bin. Hätte ich diese schmerzhafte Seite aus dem Buch ausgespart, hätte der wichtigste Schlüssel zum Verständnis gefehlt, warum ich heute so denke und handele, wie ich es tue.

Welche Rolle spielt Ihr Vater in Ihrem heutigen Leben?

Olding: Ich rede viel mit ihm. Eine Beziehung endet ja nicht, nur weil jemand körperlich nicht mehr da ist. Die Liebe bleibt.

Ist Gott auch eine Vaterfigur für Sie?

Olding: Es gehört zu den Basics meines Lebens, dass ich morgens in aller Stille eine halbe Stunde mit ihm erlebe. Dann setze ich mich einfach vor mein Jesusbild, das ihn als Schmerzensmann zeigt. Das ist wie mit einem guten Freund beim Kaffeetrinken. Man muss gar nicht reden. Es reicht, dass er da ist.

Wann wurde Jesus zu ihrem guten Freund?

Olding: Nach dem Tod meines Vaters ging ich in die Kirche, um Halt zu finden. Ich zündete Kerzen vor der Maria an, aber nichts wurde besser. Dann schlenderte ich durch die Kirche und sah Jesus an diesem großen Holzkreuz hängen. In dem Moment merkte ich, dass wir in einer ähnlichen Situation waren. Auch er wurde von seinem Vater allein gelassen. Und plötzlich bekam der Glaube für mich eine alltagsrelevante Dimension: Da hängt einer, der genau versteht, was ich gerade durchmache.

Welche Rolle spielte die Religion vorher in Ihrem Leben?

Olding: Ich komme aus dem Südoldenburger Münsterland, das tief katholisch geprägt ist. Aber ich gehörte nie den Messdienern, Pfadfindern oder sonst einer religiösen Vereinigung an. Und wer mich kennt, weiß ja auch, dass ich gewisse Traditionsformen der Kirche kritisch sehe.

Im Buch kritisieren Sie unter anderem die Priesterausbildung…

Olding: Ich bin Priester geworden trotz des Priesterseminars, nicht wegen des Seminars. Ich war dort, damit ich hinterher etwas von meiner eigenen Erfahrung mit Gott weitergeben kann. Bei meiner Arbeit vermeide ich bewusst diese ganzen Pastoral-Floskeln. Ich bin davon überzeugt, dass die Menschen uns und unsere Botschaft nicht ernstnehmen, wenn wir uns alle anhören wie gelehrige Papageien, die immer das Gleiche aufsagen.

Gab es Reaktionen der katholischen Kirche auf Ihr Buch? Hat der Bischof sich gemeldet?

Olding: Nein.

Wundert Sie das?

Olding: Nein. Es wäre vermessen, darauf zu warten, dass der Bischof anruft und mir sagt, was ich gut oder schlecht gemacht habe. Es gibt ja noch viel mehr Kapläne und Priester als mich.

Papst Franziskus gilt auch als Reformer und Rebell. Hat er eine Vorbildfunktion für Sie?

Olding: Natürlich ist mir dieser Papst sehr nah und sehr sympathisch. Ich hoffe, dass er seinen Weg noch viele Jahre weitergeht. Aber Päpste kommen und gehen. Sie sind am Ende nicht dafür entscheidend, welche Überzeugung ich in mir trage.

Reformer könne auch anecken: Pfarrer Karsten Weidisch musste die Emmericher Gemeinde verlassen und Sie sind daraufhin nach Geldern gegangen. Dennoch gibt es in Ihrem Buch keine Abrechnung mit dieser Zeit.

Olding: Ich thematisiere diese Krise und was sie mit mir gemacht hat. Aber es wäre unfair gewesen, im Buch mit jemandem „abzurechnen”, ohne der anderen Seite die Chance zu geben, sich zu äußern. Das hätte dem Buch nicht genutzt, sondern nur geschadet.

Emmerich geriet unlängst in die Schlagzeilen, weil Bischof Genn dem Bürgermeister Peter Hinze und seinem Mann am Hochzeitstag den kirchlichen Segen verwehrte. War diese Entscheidung Wasser auf die Mühlen derer, die Kirche als nicht mehr zeitgemäß kritisieren?

Olding: Sicher. Man konnte ja an den Emotionen, die das hervorgerufen hat, merken, dass diese Haltung der Kirche auf wenig Verständnis stieß. Es ist schwer, den Leuten zu vermitteln, dass wir Glocken und alles Mögliche segnen können, aber nicht die Lebensgemeinschaft zweier Männer, die aus Liebe einen gemeinsamen Weg gehen wollen. Dadurch wirkt deren Beziehung wie eine Liebe zweiter Klasse, und dafür habe ich wenig bis gar kein Verständnis. Diese Haltung der Kirche schmerzt auch mich.

Ihr Buch hat es in die Spiegel-Bestseller-Liste geschafft. Wird der Niederrhein dem Pop-Kaplan und Erfolgsautor Christian Olding irgendwann zu klein?

Olding: Definitiv nein. Ich bin froh, dass meine Zeit in Geldern verlängert wurde. Jetzt habe ich fünf weitere Jahre, um eine gewisse Regelmäßigkeit in Projekte wie die Glaubensabende und Kinoabende zu bringen. Die Gemeindearbeit ist und bleibt mein Schwerpunkt.

Wie wäre es mit einer Zweitkarriere als Schriftsteller? Folgt ein zweites Buch?

Olding: Derzeit ist nichts geplant. Mein Respekt vor Autoren ist durch die Arbeit an meinem Buch enorm gewachsen. Als Priester bin ich ja eher ein Redemensch, aber ein Buch hat ein anderes Gewicht als eine Predigt. Autoren beherrschen ein Handwerk, das ich von Haus aus nicht gelernt habe. Auf der Buchmesse habe ich Ken Follett erlebt. Der ist wirklich ein Autor, der Charaktere schafft und Geschichten schreibt, die über 1000 Seiten spannend bleiben.

Dürfen wir uns also auf Ihren ersten historischen Roman freuen?

Olding: Wenn jemand möchte, dass ich seinen Verlag in den Ruin treibe, darf er sich gern bei mir melden. Aber ansonsten lassen wir das lieber.

Das Interview führte Michael Scholten.

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