Ein Wort ohne Mehrzahl

Das Haldern Pop Festival steht zum wiederholten Mal auf der Gewinnerliste der Helga-Awards

HALDERN. Helga winkt. Er ist an der Spitze einer Art Feder aufgespießt. Stößt man die Feder an, setzt Helga sich in Bewegung und wippt winkend. Keine Sorge – Helga ist nicht aus Fleisch und Blut. Helga ist übrigens keine „Sie“, Helga ist ein „Er“.

Der „Helga!“ ist der unabhängige Festival-Award, verliehen von Festivalguide und dem Reeperbahn Festival und bemüht sich seit 2003 um eine betont unprätentiöse Erscheinungsform. Es gibt keine Dinner-Tische und keine TV-Aufzeichnung und Helene Fischer kommt auch nicht, aber es gibt Bier vor und auf der Bühne. Die Festival-Szene kommt zusammen, spricht über alles, was in diesem Jahr Gutes, Besorgniserregendes oder Merkwürdiges in der Festival-Landschaft passiert ist. Es wird viel gelacht, viel zugeprostet und wenn etwas gefällt, wird einfach „Helga!“ gerufen.

-Anzeige-

Die Macher des Haldern Pop kennen sich aus mit Helga. Sie kennen Helga – Helga kennt sie. Wer sich die diesjährige Gewinnerliste anschaut, findet Haldern gleich zweimal erwähnt. „Leidenschaftlichste Festival-Performance: Benjamin Clementine beim Haldern Pop“, und: „Bestes Gewissen“. In einer Festival-Landschaft, in der es gilt, Positionen einzunehmen, ist auch ein Preis möglich, der für das beste Gewissen vergeben wird. Schon sieht man die Weichspülwerbung der Fernseh-70er-Jahren, wie sie einer deutschen Hausfrau das Gewissen entlockt. „Habe ich auch alles richtig gemacht?“, regt sich das Waschgewissen. Das waren andere Zeiten.

Dass ein Festival für seine Haltung gelobt wird, ist eine Art Signal – ein Geschmacksverstärker und Richtungsunterstützer. Eigentlich ist Haldern Pop keines dieser Festivals, das seine Haltung auf Banner drucken lässt und dann zur Parade einlädt. Haldern Pop ist – ganz abgesehen von der Klängen – eine Art von Geistes- und Bewusstseinzustand. Es geht nicht nur um Unterhaltung – es geht immer auch um Haltung. Stefan Reichmann, Vor- und Nachdenker für und über das Haldern Pop: „Natürlich haben wir uns bei der Verleihung gefragt, was wohl die Gründe für diese Ehrung waren.“ Niemand wird in Haldern von Haltungsdemonstration überfallen. Niemand sagt: „Wir sind gegen dies und jenes.“ Trotzdem scheint klar: Auch ohne Demonstration scheint Haltung durch, und für jeden liegen die Ausläufer des Vordenkens woanders.

„Preise versuchen immer, Dinge vergleichbar zu machen, die vielleicht gar nicht vergleichbar sind“, sagt Stefan Reichmann. „Wenn wir jemanden wie Kate Tempest zur ‚Prime-Time‘ auf der Hauptbühne auftreten lassen, dann kann das als Statement gesehen werden, und genau so hat es die Jury wohl gesehen.“ Man muss sich das leisten können.

Haldern, das scheint der Preis zu sagen, setzt nicht auf schnelle Belustigung und nicht auf Party-Fast-Food – Haldern ist immer auch eine Zumutung im besten Sinn. Es geht um die Kombination aus Haltung und Musik. Streicht man „zu“ am Anfang und „ung“ am Ende, bleibt der Zentralbestandteil: Mut. Mut ist etwas Einzigartiges. Mut ist eines der wenigen Wörter in der deutschen Sprache, das keinen Plural bildet. Auch Heimat tut das nicht. Es geht um das Singuläre, und eben das ist in Haldern zu bekommen. Das hat die Jury auf den Punkt gebracht und das beste Gewissen am Niederrhein verortet.

Apropos Niederrhein: 2015 ging in der Wertung des Publikums der Preis für das beste nationale Festival an „Parookaville“. 2014: Feinstes Booking: Haldern Pop. 2013: Feinstes Booking und schönster Zeltplatz: Haldern Pop.

Vorheriger ArtikelGezeigt wird im ganzen Haus „Was das Auge sehen will“
Nächster ArtikelIdeenwerkstatt zum
Dr.-Robbers-Park in Elten