Demokratie leben in der JVA

Seit April tourt die Landeszentrale für politische Bildung NRW mit ihrem „Demokratie-Bus“ durchs Land

GELDERN. „Demokratie – was ist das?“, ist eine der zentralen Fragestellungen, mit denen sich die Inhaftierten im Rahmen der Demokratietour der Landeszentrale für politische Bildung NRW auseinandersetzten sollen. Eine Frage, die besonders in der Justizvollzugsanstalt viel Raum für Diskussionen bietet.

 
Eine Gruppe Strafgefangener sitzt gemeinsam mit Wilfried Klein, Mitarbeiter der Landeszentrale für politische Bildung, an einem Tisch und stellt in einer Mindmap zusammen, wann sie zufrieden mit der Demokratie sind oder wären. Vorschläge wie „Ich bin mit der Demokratie zufrieden, wenn Frieden herrscht“ oder „Ich bin mit der Demokratie zufrieden, wenn Menschen gerecht behandelt werden“, sind auf der Mindmap zu finden. Aussagen, die manchmal auch einen gewissen Widerspruch aufzeigen, wie Klein anmerkt: „Natürlich steckt da ein gewisser Widerspruch hinter, wenn wir gerade hier von Freiheit und Würde sprechen. Viele Inhaftierte fragen bei solchen Begriffen dann auch: ‚Und was ist mit unserer Freiheit und unserer Würde?‘“, erläutert Klein die Brisanz.

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Im gemeinsamen Gespräch diskutierten die Strafgefangenen über den Wert einer Demokratie. NN-Foto: Sarah Dickel
Im gemeinsamen Gespräch diskutierten die Strafgefangenen über den Wert einer Demokratie. NN-Foto: Sarah Dickel

Trotzdem oder besser gesagt genau deshalb hat sich die Landeszentrale für politische Bildung, die die Demokratietour initiiert hat, bewusst dafür entschieden, auch Justizvollzugsanstalten mit dem Demokratie-Bus zu besuchen: „Wir wollen dorthin gehen, wo uns die Menschen nicht erreichen. Das kann in Quartieren, die sich durch wenig gelebte Teilhabe und geringe Wahlbeteiligung auszeichnen, sein, aber auch in JVAs“, so Klein. Oftmals herrsche in der Politik eine „Komm-zu-uns“-Struktur, aber das reiche laut dem Mitarbeiter der Landeszentrale für politische Bildung nicht aus: „Wir haben die Aufgabe, mit den Menschen zu reden und müssen deshalb zu ihnen gehen.“ Insgesamt wurden acht JVAs im Rahmen der Demokratietour besucht, eine davon ist die Justizvollzugsanstalt in Geldern.
Viele der Inhaftierten sitzen am Tisch, hören den anderen zu und äußern ihre Meinung. Ob Demokratie überhaupt wichtig sei, fragt Klein. Allgemeines Nicken. Ja, ist sich der Großteil der Inhaftierten sicher, irgendwie schon. Dem Spannungsfeld, dem diese Diskussion gerade hier ausgesetzt ist, ist sich auch Hans Stevens, pädagogischer Dienst der JVA Geldern bewusst: „Es birgt Spannungspotenzial, solche eine Veranstaltung an solch einem demokratiefeindlichen Ort zu machen“, so der Mitarbeiter des pädagogischen Dienstes. Aber gerade deshalb findet Stevens es auch wichtig, solche Aktionen an die JVA zu holen: „Im Rahmen der politischen Bildung gibt es ja öfters solche Aktionen hier, und als ich von dem Angebot der Demokratietour hörte, habe ich mich direkt eingeklinkt, um diese Tour zu uns zu holen.“
Die Meinungen der Strafgefangenen über das Projekt ist, bis auf Ausnahmen, positiv. Sascha Hansen bringt es auf den Punkt: „Es ist zwischendurch mal nötig, sich auch andere Meinungen anzuhören, insbesondere hier, wo es so viele extreme Meinungen gibt.“

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