Flucht erlebbar machen

Im „missio“-Truck, der drei Tage in Emmerich steht, schlüpfen Jugendlliche in die Rolle von Flüchtlingen

EMMERICH. Falon oder Sara heißen die Mädchen auf der Vorderseite der Postkarte. Auf der Rückseite steht ihre Geschichte: „Seit deinem achten Lebensjahr bist du mit deiner Mutter in verschiedenen Flüchtlingslagern untergekommen und hast Schreckliches erlebt“, ist Saras Leben in wenigen Zeilen zusammengefasst. In ihre Person sind in den vergangenen drei Tagen beim „missio-Truck“ Emmericher Jugendliche geschlüpft. Bei einer in einem Lkw eingebauten interaktiven Lern- und Erlebnis­ausstellung versuchten diese im rund zehnminütigem Rundgang nachzuempfinden, wie es diesen Flüchtlingskindern ergeht. Dieser Truck, der unter dem Motto „Menschen auf der Flucht“ steht, stand in dieser Woche von Mittwoch bis Freitag in Emmerich an der St.-Martini-Kirche.

Mehrere Klassen der städtischen Realschule Emmerich und des Willibrord-Gymnasiums sowie andere angemeldete Gruppen haben den Truck in den vergangenen drei Tagen besucht. „Insgesamt waren es 240 Personen“, sagt Diakon Norbert Gerding vom Caritasverband Kleve. Der Verband hat den Truck nach Emmerich geholt, nachdem Mitglieder ihn bereits in anderen Städten gesehen hatten und begeistert waren. Den unter der missio-Aktion „Schutzengel“ stehenden und bundesweit reisenden Truck gibt es in dieser Form seit 2012. „Vorher gab es über viele Jahre bereits einen missio-Truck, der sich mit dem Thema Aids beschäftigt hat. Nach einiger Zeit war die Aufklärung über Aids aber so groß, dass er nicht mehr gebraucht wurde“, erklärt Pia Strunk vom missio-Truck. Stattdesssen wurde ein Lkw zum Thema Flüchtlinge, das damals noch nicht so aktuell war wie heute, initiert. „Im Truck laufen die Jugendlichen den Weg eines Flüchtlings aus dem Kongo“, berichtet Strunk, „es wird auch erklärt, warum Menschen aus dem Kongo flüchten.“

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Die Flucht beginnt für die Jugendlichen im zweiten von sechs Räumen des Lkw. Hier wird auf einem Bildschirm eine Flucht-Situation dargestellt, bei der ein Mann, der zuvor mit den Jugendlichen gesprochen hat, vor den drohenden Gefahren in Deckung geht. Die Jugendlichen nehmen anschließend die Identität an, die auf ihrer Postkarte steht. Mittels eines QR-Codes können sie sich in den Räumen in ein bestehendes multimediales System einloggen und so mehr über die Person, die sie sind, erfahren. Aus dieser Identität heraus müssen sie auch Entscheidungen treffen. „Zum Beispiel werden ihnen nach dem Video Gegenstände gezeigt. Dabei werden sie gefragt, welche sie auf ihrer Flucht mitnehmen wollen. Währenddessen läuft die Zeit, denn die Jugendlichen sollen sich schnell entscheiden. Es soll eine Bauchentscheidung sein“, erläutert Pia Strunk. Die Flucht soll schließlich erlebbar gemacht werden und möglichst realistisch dargestellt werden. „Es sind auch alles Gegenstände, die wohl jeder mitnehmen würde“, sagt Strunk.

Wie emotional eine Flucht für Flüchtlingskinder tatsächlich ist, erlebten die Emmericher Jugendlichen in einem weiteren Raum. „Der ist sehr negativ. Hier wird ihnen zum Beispiel gesagt, dass sie nicht wissen, ob die Post, die sie an ihre Freunde in der Heimat geschrieben haben, jemals ankommt“, erläutert Strunk. Auch auf das Thema Arbeit wird eingangen. „Selbst wenn sie eine Arbeit annehmen könnten, wird ihnen gesagt, dass sie die aufgrund fehlender Papiere nicht annehmen können“, sagt Strunk. So wie es im wahren Leben eben auch ist.

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