„Der EM-Titel 1989
    war ein Meilenstein“

    Ex-Frauennationaltrainerin Tina Theune im NN-Interview über ihre Heimat, Karriere, Erfolge und die Chancen der aktuellen DFB-Elf beim kommenden Turnier in den Niederlanden

    KREIS KLEVE. Den ersten Platz in der Rangliste zur Frauenfußball-Europameisterschaft wird die deutsche Nationalmannschaft so schnell nicht verlieren. Acht Titel stehen zu Buche – beim Turnier in den Niederlande, das Sonntag beginnt, soll Nummer neun folgen. Wie die Chancen dazu stehen, sagt Ex-Bundestrainerin Tina Theune im Interview mit NN-Volontärin Sabrina Peters.

    Einen WM- und drei EM-Titel hat Tina Theune als Trainerin der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft geholt. Foto: privat
    Einen WM- und drei EM-Titel hat Tina Theune als Trainerin der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft geholt. Foto: privat

    Frau Theune, Sie sind in Kleve geboren und in Kevelaer aufgewachsen, leben mittlerweile in Frankfurt. Fühlen Sie sich am Niederrhein immer noch heimisch?

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    Tina Theune: Ja, sehr. Meine Mutter wohnt nach wie vor in Kevelaer. Ich besuche sie oft, um mit ihr und ihrem Hund Rana einen Ausflug zu machen. Wir gehen zum Beispiel gerne entlang der Niers an Schloss Wissen vorbei, oder wir drehen eine Runde um die Burg Kervenheim. Ganz besonders gefällt es uns im National Park De Maasduinen. Das Herzogtum Geldern und Noordlimburg verbindet ja eine lange gemeinsame Geschichte, Brauchtum und Sprache sind ähnlich. Die Dünenlandschaft ist phantastisch. Es gibt viele charmante Cafés entlang der Maas mit den kleinen idyllischen Dörfern. Aber auch ein Spaziergang durch die sehenswerte und einladende Kevelaerer Innenstadt lohnt sich allemal. Ich kenne keine andere Stadt, in der man von den Menschen, die dort leben, so herzlich empfangen wird.

    Sie haben mit der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft 2003 die WM gewonnen und sechs Europameister-Titel geholt. An welchen Erfolg denken Sie heutzutage am liebsten zurück?

    Theune: Ein unvergessliches Erlebnis war die Europameisterschaft 1989 im eigenen Land. Ein Meilenstein und Auslöser für rasante Entwicklungen im Frauenfußball. Der 4:1-Sieg im Endspiel gegen Norwegen war eine Galavorstellung im ausverkauften Stadion von Osnabrück. 5.000 Fans standen vor einer Großleinwand vor dem Stadion, da sie keine Karte mehr bekommen hatten. Natürlich erinnere ich mich auch zu gerne an die WM 2003, an das spannende Halbfinale gegen den Favoriten USA in Portland und an das Endspiel mit Verlängerung und Golden Goal. Aber es waren auch die vielen kleinen Begegnungen nach dem Gewinn der WM. Beim Empfang der Grengracht-Grundschule im Baesweiler Rathaus, zu dem Maren Meinert, Sonja Fuss und ich eingeladen waren, haben die Klassensprecher für jeden von uns eine phantastische Laudatio gehalten. Im Laufe der WM waren fast täglich „Power-Faxe” und Glückwünsche eingetroffen.

    Warum haben Sie 2005 Ihren Rücktritt als Nationaltrainerin bekanntgegeben?

    Theune: Der Weg von der Assistenztrainerin und U-Trainerin zur Trainerin der Frauen-Nationalmannschaft war spannend, herausfordernd und erfolgreich, aber auch anstrengend. Nach dem Gewinn der WM 2003 und Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen wusste ich, dass gerade ein neuer Abschnitt begonnen hat, für einen Neuanfang mit einer neuen Cheftrainerin, für neue Ideen und frische Power. Ich hatte die Zeit meines Lebens als DFB-Trainerin, damals den besten Draht zu den Spielerinnen und einen perfekten Abschluss mit dem Gewinn des insgesamt sechsten deutschen Titels bei der Europameisterschaft 2005. Ich war neugierig auf ganz neue Aufgaben, andere Dinge. Ich wollte auch mehr Zeit für meine Familie und Freunde haben, die mir bis dahin immer hinterher reisen mussten.

    Am Sonntag startet die Frauen-EM in den Niederlanden. Deutschland geht als Titelverteidiger an den Start und könnte zum siebten Mal hintereinander Europameister werden. Wie schätzen Sie die Chancen des DFB-Teams ein?

    Theune: Als Olympiasieger und Weltranglistenzweiter werden Deutschlands Fußballfrauen mit viel Selbstvertrauen in die Spiele gehen. Mehr als die Hälfte der Spielerinnen war schon beim Gewinn der Goldmedaille 2016 in Rio mit dabei. Solch ein Erlebnis pusht ungemein. Zudem ist die gegenwärtige Mannschaft eine sehr „hungrige” und begeisterungsfähige Gemeinschaft. Gerade weil einige Youngster oder auch gestandene Frauen-Bundesligaspielerinnen erst vor kurzem den Sprung ins Nationalteam geschafft haben. Ich traue den DFB-Frauen in jedem Fall eine Top-Platzierung zu. Das Ziel der Mannschaft heißt ohne jeden Zweifel „Titelgewinn”.

    Wie schwer ist es für die aktuelle Nationalelf, in ein Turnier zu gehen, das Deutschland zuvor sechsmal hintereinander gewinnen konnte?

    Theune: Ich glaube, dass Statistiken in den Köpfen des Trainerteams und der Spielerinnen keine Rolle spielen. Die Mannschaft bereitet sich sehr akribisch und intensiv auf die EM im Nachbarland vor. Die Spielerinnen sind total fokussiert auf Erfolg. Das hat man beim 3:1 im Testspiel gegen Brasilien gesehen. Ich werde also mitfiebern und wünsche der Mannschaft von Steffi Jones und Markus Högner einen fantastischen Start ins Turnier, viel Glück und viel Erfolg!

    Wer zählt für Sie – neben Deutschland – noch zu den Titelfavoriten?

    Theune: Mitfavoriten um den Titel sind für mich die Teams aus Frankreich und Spanien aufgrund der überragenden spielerischen Fähigkeiten einzelner Spielerinnen und variablen Möglichkeiten in der Offensive und Defensive. Zum engeren Favoritenkreis gehören für mich auch die Skandinavierinnen und England. Für eine Überraschung sorgen könnten die Schweiz oder Gastgeber Niederlande.

    Wie werden Sie die Spiele verfolgen?

    Theune: Ganz klar, bei einigen Spielen werde ich live dabei sein. Ich werde mir eventuell das Eröffnungsspiel Niederlande gegen Norwegen mit Freunden in Utrecht anschauen. Die übrigen Gruppenspiele und die Viertelfinalspiele versprechen viel Spannung. Falls Deutschland Gruppenerster wird, trifft die Mannschaft in Rotterdam auf einen Gegner der Gruppe A. Das würde ich liebend gerne sehen. Noch spannender wird’s dann in den beiden Halbfinalspielen, denn da könnte Deutschland im Falle eines Sieges in Breda auf den stärksten Gegner der Gruppe C treffen. Möglicherweise heißt der Gegner dann Frankreich, einer der Top-Favoriten auf den Titel. Da die Spiele der deutschen Mannschaft jeweils erst um 20.45 Uhr angepfiffen werden und die Entfernungen zu den Spielorten nicht allzu groß sind, könnte ich vorher sogar noch einen Abstecher zum Niederrhein machen.

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