Kulturlandschaftspflege braucht deutlich höheren Stellenwert

NABU suchte auf seiner NRW Landtagswahltour Austausch mit Politikern

NIEDERRHEIN. Bis morgen sind Mitglieder des Naturschutzbundes NRW auf einer Wandertour unterwegs, die am 19. April in Kranenburg begann, in zehn Tagesetappen über den rheinisches Teil des Jaobsweges führte und morgen in Köln endet.   

Die Goldammer fällt durch ihr leuchtend gelbes Federkleid auf, doch NABU-Vorsitzender Josef Tumbrinck konnte auf seiner Wanderung keine entdecken. Foto: NABU Frank Derer
Die Goldammer fällt durch ihr leuchtend gelbes Federkleid auf, doch NABU-Vorsitzender Josef Tumbrinck konnte auf seiner Wanderung keine entdecken.
Foto: NABU Frank Derer

Der NABU nutzte diese Zeit, um gemeinsam mit Vertretern der Landwirtschaft und der Ökoanbauverbände mit Politikern ins Gespräch zu kommen, um deren Positionen kurz vor der Landtagswahl zu ermitteln. Viele Fragen sind offen bei den Naturschützern: „Wie muss eine neue Landwirtschaftspolitik ausgerichtet sein, die fair zu Landwirten und Verbrauchern ist und gleichzeitig ökologisch nachhaltig und global  verantwortungsvoll.  An einigen Stellen gab es auf dieser „Wahltour Natur“ Pressekonferenzen. So am 20. April in der Jugendherberge Xanten, wo  schwerpunktmäßig über den Kiesabbau in der Region gesprochen wurde.

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„Unser Boden ist nicht vermehrbar.“

Josef Tumbrinck, Landesvorsitzender, NABU NRW

„Nur wenn die künftigen Landesregierungen den Freiraumschutz ernst nehmen und diesen langfristig bilanzneutral gestalten, wird man hier zu nachhaltigen Lösungen kommen“ erklärte Josef Tumbrinck, Vorsitzender des NABU NRW, im Rahmen dieser Podiumsdiskussion. Er stellte klar, dass noch immer allein in Nordrhein-Westfalen täglich etwa zehn Hektar wertvolle Natur- und Freifläche verloren gingen. Von den Zielen der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie – 30 Hektar pro Tag bundesweit – und der derzeitigen Landesregierung – fünf Hektar pro Tag – sei NRW also weit entfernt. Tumbrinck: „Unser Boden ist aber nicht vermehrbar, daher gilt es, die verbleibenden unbebauten oder unversiegelten Flächen besonders zu schützen. Neben ihrer Kapazität zur Bindung klimaschädlicher Gase und ihrer Funktion für Land- und Forstwirtschaft sowie den Trinkwasserschutz bergen intakte Böden zudem eine hohe biologische Vielfalt.“ Besonders prangert er die Vernichtung von Flächen am Niederrhein an: „Trotz mittlerweile relativ restriktiver politischer Vorgaben im Regierungsbezirk Düsseldorf, nehmen die Auskiesungen aber weiterhin zu. So werden alleine von der Firma Holemans zwischen Bislich und Rees bis 2030 zusätzlich zu bereits abgeschlossenen Abgrabungen 10 Quadratkilometer niederrheinische Landschaft abgegraben.“
Die Konflikte um die Kiesabgrabungen am Niederrhein seien also nach wie vor nicht gelöst. Im Gegenteil, durch die seit Jahrzehnten durchgeführten großflächigen Auskiesungen in der Region sind die Grundwasserverhältnisse grundlegend verändert und bewährte Entwässerungsgräben beseitigt worden. Dies führe zu bisher nicht kalkulierten Risiken für die Menschen in der Region. „Gemeinsam mit den Kiesinitiativen vor Ort fordert der NABU deshalb weiterhin die deutliche Eindämmung des Kiesabbaus am Niederrhein, eine restriktive landesplanerische Bedarfsprüfung und eine Forcierung des Betonrecyclings“, so Tumbrinck.
Ein nächster Zwischenstopp führte auf dem Schanzenhof in Alpen Naturschützer und Politker zum Gespräch zusammen. Josef Tumbrinck eröffnete die Runde mit den Worten: „Ich habe auf der bisherigen Tour weder eine Feldlerche noch eine Goldammer gesehen, das bedeuter für mich, dass die Verarmung an Tier- und Pflanzenvielfalt hier am Niederrhein schon spürbar ist.“ Er begrüßte die „hochkarätige“ Runde mit  den Landtagsabgeodrneten Norwich Rüßevon den Grünen, Norbert Meesters, SPD, Henning Höhne, FDP und Hubertus Fehring, CDU, außerdem waren Bernhard Conzen, Präsident des Rheinischen Landwirtschaftsverbandes, Ute Rönnebeck, Geschäftsführerin von Demeter und Jan Leifert, Vorsitzender der  Ökoloischen Land- und Lebensmittelwirtschaft (LVÖ) angereist.

„EU-Fördergelder müssen anders verteilt werden.“

Josef Tumbrinck, Landesvorsitzender, NABU NRW

 

Hauptthemen waren der Stopp des Artensterbens und des Flächenverbrauchs sowie einen Konsens zu finden zur gemeinsamen Argrarpolitik der EU unter Berücksichtigung, kleine und mittlere Landwirtschaftsberiebe zu erhalten. „Nur mit einer naturverträglichen Landwirtschaft wird es zu schaffen sein, das Artensterben in der Feldflur zu stoppen. Dazu müssen die EU-Fördergelder für Agrarpolitik künftig aber anders verteilt werden“, erklärte Josef Tumbrinck, Vorsitzender des NABU NRW.
Bisher fließe der Großteil der landwirtschaftlichen Fördergelder – derzeit immerhin fast 40 Prozent des gesamten EU-Haushaltes – in pauschale, flächenbezogene Agrarsubventionen. Dies zwinge die Landwirte zu immer intensiveren Produktionsmethoden, die erhebliche Schäden an Natur und Umwelt verursachen. Massives Artensterben in der Kulturlandschaft, Nitratbelastung des Grund- und Trinkwassers, daher drohender Anstieg der Wasserpreise, zunehmende Gesundheitsgefahren durch Antibiotika-Resistenzen und massive Emissionen, seien nur einige der Probleme, die zudem von Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern massiv subventioniert werden.
Trotzdem gehe das „Höfesterben“ weiter. „Viele Bauern rackern bis zum Umfallen und sehen dennoch keine Perspektive. Eine offene und ehrliche Diskussion der Agrarpolitik und die gemeinsame Suche nach zukunftsfähigen Lösungen sind daher mehr als überfällig“, mahnte der NABU-Vorsitzende. Eine neue Landwirtschaftspolitik ab 2020 müsse daher fair zu Landwirten und Verbrauchern, ökologisch nachhaltig und global verantwortungsvoll ausgerichtet sein.
Die Politiker antworteten in langen Wortbeiträgen zu den Forderungen an Politik und bescheinigten übereinstimmend,  sich sowohl für Landwirte als auch für Naturschützer einsetzen zu wollen. Allerdings gaben sie allesamt zu bedenken, dass sie bei allen Entscheidungen nicht nur Rücksicht auf Landwirte nehmen könnten, sondern auch auf andere Gewerbetreibende, die zum Beispiel Flächen beanspruchten zur Ausweitung ihrer Betriebe. Sie forderten also ihrerseits, dass nur wirklich „gesunde“ Betriebe gefördert werden können, da mit Subventionen alleine keine Zukunft planbar sei. Außerdem sahen sie Diskrepanzen zwischen Forderungen nach mehr Unterstützung für Bauern und der Bereitschaft von Verbrauchern, für qualitativ hochwertige Produkte entsprechend zu zahlen.
Wer die Forderungen für eine nachhaltige und zukunftsfähige EU-Agrarpolitik unterstützen möchte, der kann sich in einem vereinfachten Verfahren auf der Internetseite www.NABU.de/abstimmen direkt an Brüssel wenden. Bereits im Februar hatte die EU-Kommission die öffentliche Befragung zur Zukunft der Agrarpolitik nach 2020 gestartet. Diese Befragung läuft noch bis zum 2. Mai.

 

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