„Es wird nicht einfacher“

Geschäfte außerhalb der Emmericher Wälle dürfen an verkaufsoffenen Sonntagen nicht mehr öffnen

EMMERICH. Für Beatrice Kortboyer kommt die Nachricht völlig überraschend. „Ich weiß noch gar nichts davon“, sagt die Marktleiterin der Holzleitner-Filiale in Emmerich. Es geht um die verkaufsoffenen Sonntage in der Rheinstadt – die für Kortboyers Geschäft künftig nicht mehr verkaufsoffen sind. Denn dieses liegt außerhalb des durch eine ordnungsbehördliche Verordnung festgelegten Gebietes innerhalb der Wälle; nur dort dürfen „Verkaufsstellen“ beispielsweise am Sonntag, 2. April, zwischen 12 und 17 Uhr geöffnet sein. Gestern hat die Stadt zudem mitgeteilt, dass auch Apotheken, Lebensmittelmärkte und Getränkehändler in Emmerich ihre Türen am verkaufsoffenen Sonntag geschlossen halten müssen.

Die Autoshow am 2. April sichert den verkaufsoffenen Sonntag in Emmerich – allerdings nur für die Geschäfte in der Innenstadt.NN-Foto (Archiv): Rüdiger Dehnen
Die Autoshow am 2. April sichert den verkaufsoffenen Sonntag in Emmerich – allerdings nur für die Geschäfte in der Innenstadt.NN-Foto (Archiv): Rüdiger Dehnen

Zum Hintergrund: Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom November 2015 (AZ 8 CN 2.14) die Zulassungs-Kriterien für Sonntagsöffnungen umfassend dargelegt. Demnach dürfen verkaufsoffene Sonntage nur an eine Hauptveranstaltung, zum Beispiel einen Markt oder eine Messe, gekoppelt sein. Sie dürfen nicht für sich alleine stehen und zahlenmäßig nicht mehr Besucher anziehen als der eigentliche Anlass. Hinzu kommt, dass die unmittelbare räumliche Nähe zwischen den geöffneten Geschäften und der Hauptveranstaltung gegeben sein muss. Und: Die Fläche der Veranstaltung muss „prägend“ sein, das heißt mehr Raum einnehmen, als die der geöffneten Geschäfte. Auf dieses Urteil und seine „Grundsatzentscheidung“ beruft sich die Gewerkschaft Ver.di und fordert, dass es auch auf Zulassungen von Sonntagsöffnungen nach Paragraph 6 des Ladenöffnungsgesetzes NRW anzuwenden sei.

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In Emmerich sind drei verkaufsoffene Sonntag (relativ) gesichert: am 2. April, eingebettet in die Autoshow und die Premiere des Drehleiter-Festivals; am 30. Juli zu „Emmerich im Lichterglanz“; am 3. September zum Stadtfest mit der 16. Musiknacht. „Diese drei Events ziehen deutlich mehr Besucher, als es nur ein verkaufsoffener Sonntag tun würde“, betont Wirtschaftsförderer Sascha Terörde. Auch die Flächen, die bei den Veranstaltungen bespielt werden, sind um ein Vielfaches größer als die Verkaufsflächen der an den Sonntagen geöffneten Geschäfte.

Auf der Kippe steht laut Terörde allerdings der 17. Dezember. An diesem Sonntag findet der Emmericher Weihnachtsmarkt statt, „bei einem verkaufsoffenen Sonntag wäre die Verkaufsfläche aber wesentlich größer als der Weihnachtsmarkt selbst“, sagt Terörde. Das hat eine Befragung unter den interessierten Einzelhändlern bereits ergeben. „Es ist generell nicht einfacher geworden, diese Dinge zu beantragen“, weiß Terörde. „Wenn Ver.di es darauf anlegt, könnten sie uns jeden verkaufsoffenen Sonntag kaputt machen.“
Jutta Conrad-Hering vom Stadtmarketing, zugleich Kassiererin der Emmericher Werbegemeinschaft (EWG), ergänzt: „Die Werbegemeinschaften werden auch mehr belastet, da sie jetzt immer für eine besondere Veranstaltung sorgen müssen, wenn ein verkaufsoffener Sonntag stattfinden soll.“ Dies sei stets mit einem finanziellen Aufwand und Risiko verbunden. „Wir haben hier zum Glück den Vorteil, dass EWG und Stadt jeweils zwei Veranstaltungen ausrichten.“ Dadurch werde das Risiko ein wenig abgefedert.

In Emmerich will man nun die Ergebnisse des 2. April abwarten, Schüler sollen an diesem Tag die Besucher zählen. Mit den Erfahrungen und Ergebnissen „wollen wir dann die nächsten verkaufsoffenen Sonntage beantragen“, erläutert Terörde. Seine Hoffnung: Nach den anstehenden Gesprächen auf Landesebene wird gesagt, dass vier verkaufsoffene Sonntag im Jahr genehmigt sind.

Auf einen Leitfaden, den eine Arbeitsgruppe des Wirtschaftsministeriums des Landes NRW erstellen will, muss man nicht nur in Emmerich noch warten. In der Arbeitsgruppe sind der Einzelhandel, Gewerkschaften, kommunale Verbände, Wirtschaftskammern, Kirchen und Bezirksregierungen vertreten. Sie wollen eine Handreichung für Kommunen als Hilfestellung bei der Erstellung ihrer Verordnungen erarbeiten. Diese wird aber wohl erst im Mai verschickt.

Bleiben die Geschäfte außerhalb der Wälle in Emmerich. Für sie hätte sich das Thema verkaufsoffener Sonntag nach derzeitigem Stand in jedem Fall erledigt. „Wir machen diese Tage gerne mit, und unsere Kunden warten schon auf die Rabatte“, sagt Beatrice Kortboyer von Holzleitner. Gleiches gilt für den „Fahrradspezialist“ Heßeling & Kluit­mann, auch er muss nun zu den verkaufsoffenen Sonntag geschlossen bleiben. „Ich halte diese Regelung für kleinere Städte für ziemlich unsinnig“, sagt Inhaber Stephan Heßeling. „In Großstädten mit 100.000 Einwohnern kann ich verstehen, dass man es auf einen bestimmten Bereich begrenzen möchte. Aber nicht in Emmerich.“ Heßeling denkt weniger an den Umsatz, der ihm durch die Gesetzeslage entgeht. „Als Fahrradhändler haben wir die verkaufsoffenen Sonntag aber gerne für Ausstellung und Beratung genutzt – nun wird die Sache zusätzlich kompliziert. Da werden wir uns das eine oder andere einfallen lassen müssen.“

Sascha Terörde kann den Unmut der Unternehmen nachvollziehen. „Verkaufsoffene Sonntage sind immer eine gute Möglichkeit, sich zu präsentieren und gesondert Publikum zu ziehen“, sagt Emmerichs Wirtschaftsförderer. Stets geht der Blick dabei auch auf die andere Seite der Grenze: In den Niederlanden dürfen die Geschäfte an 52 Sonntagen im Jahr öffnen. „Da fließt weitere Kaufkraft ab, uns aber wird diese Möglichkeit genommen“, sagt Terörde. Emmericher Unternehmen würden von Umsatzeinbußen berichten bei jedem verkaufsoffenen Sonntag, der nicht stattfindet.

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