Dietmar Reintjes unterstützt Menschen mit Autismus auf dem Weg in ein selbstständigeres Leben. Ein solches Steckspiel wird unter anderem eingesetzt. Foto: LVR/HP

GOCH. Das Berufsleben von Dietmar Reintjes wäre wahrscheinlich leichter, wenn es dieses eine Buch gäbe. Das mit dem Patentrezept. Aber das Buch gibt es nicht und wird es auch nie geben. Weil, sagt Dietmar Reintjes, es für Autisten keine Patentrezepte gibt.

Gefragt ist dagegen der genaue Blick auf den Menschen, seine Bedürfnisse, alle Angebote von Therapie über Wohnen und Arbeiten müssten individuell auf den jeweiligen Menschen zugeschnitten sein. Reintjes weiß, wovon er spricht. Im LVR-Wohnverbund Gerd-Horseling-Straße ist er der Fachmann für Menschen, die an einer Autismus-Spektrum-Störung leiden.

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Hier kümmert er sich zum Beispiel um Adnan M. (Name geändert). Der junge Mann, noch keine 20 Jahre alt, zog vor knapp drei Jahren in das Haus in Goch ein. Bis dahin hatte er bei seiner Familie gelebt, aber die Mutter war mit der Betreuung ihres Sohnes überfordert. Adnan war sehr aggressiv, gegen sich und andere, ohne soziale Kompetenzen, seine Aufmerksamkeitsspanne extrem gering. Leider, blickt Reintjes zurück, hatten die Eltern aufgrund der Sprachbarriere – die Familie stammt aus dem Kosovo – nicht alle Hilfen und Fördermöglichkeiten, die es für Menschen mit Behinderung gibt, genutzt. Adnan braucht viel Aufmerksamkeit und intensive Unterstützung. Die ist an der Gerd-Horseling-Straße gewährleistet. Eine volle Kraft, sagt Dietmar Reintjes, kümmert sich um ihn. Mit Erfolg. Adnan konnte kaum eine Sekunde still sitzen und sich auf nichts konzentrieren.

Mit Steck- und Sortierspielen, mit motorischen Übungen ging’s los – immer ein bisschen mehr, immer ein bisschen länger. „Heute kann er zwei bis zweieinhalb Stunden auf einem Platz sitzen.“ Und Adnan ist zugänglicher geworden, zieht sich nicht mehr ständig zurück, ist in der Gemeinschaft im Haus aktiver. Reintjes: „Er merkt, er ist Teil einer Gruppe. Er kann etwas leisten und bekommt auch etwas zurück.“
Irgendwann in der Zukunft soll Adnan so weit sein, dass er in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung arbeiten kann. Das ist noch ein langer Weg, aber den ersten Schritt hat er getan. Er akzeptiert eine vernünftige Tagesstruktur, jetzt werden die Fachleute vom LVR-HPH-Netz Niederrhein mit ihm gemeinsam seine sozialen Kompetenzen weiter entwickeln. Und den jungen Mann in der Gruppe ein bisschen aus sich herauslocken. Denn eigentlich ist er Dietmar Reintjes zurzeit zu ruhig.

Reintjes arbeitet nach der „Teacch-Methode“. Die Abkürzung aus dem Englischen steht übersetzt für „Behandlung und Förderung autistischer und ähnlich kommunikationsgestörter Kinder“. Vereinfacht ausgedrückt setzt „Teacch“ auf Grundprinzipien wie klare Strukturierung des Umfeldes, auf kleine Schritte, sprich auf Anforderungen, die der autistische Mensch auch wirklich bewältigen kann. „Teacch“ will den Betroffenen nicht verändern, sondern durch eine entsprechende Gestaltung seines Lern- und Lebensumfeldes die Probleme, die Autisten haben, verringern. Ziel: ein selbstständigeres Leben. Studien aus den USA, sagt Reintjes, belegten, dass die Methode funktioniere. Wie bei Adnan eben. Reintjes weiß, dass sich die Situation aber auch wieder umkehren und Ad-nan in alte Verhaltensweisen zurückfallen kann. „Aber wir wissen dann genau, wie wir damit umgehen.“

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