Ein Chamäleon für alle

EMMERICH. Die Ansage ist klar: „Nur wer Schutzkleidung trägt, darf in die Baustelle.“ Schutzbrille und Handschuhe müssen sein, sonst gibt‘s das Chamäleon nur aus der Entfernung.
Rajana ist acht Jahre alt und Pressesprecherin in Sachen „Wir bauen ein Chamäleon“. Während sie die Fragen der Reporter beantwortet, trägt sie ihre Schutzbrille und die gelben Handschuhe. Das hier, erklärt sie den Damen und Herren der Presse, sei die dritte Phase des Projektes. Die wörtliche Rede klingt ein bisschen anders. „In den Osterferien haben wir die Modelle gebaut.“ Phase I. Danach wurde abgestimmt: Es galt, das Modell zu finden, das am Ende gebaut werden soll.


Haltstopp? Was für Modelle? Was geht ab? Nun ja – die Rheinschule Emmerich bekommt eine „Miteinander Sitzskulptur“. Das „Ding“ wird demnächstens auf dem Schulhof stehen. Das „Ding“ wird ein Tier sein. Das Tier wird aus Beton sein. Auf den Beton werden Fliesenstückchen gelegt – eine Art Mosaik. Am Ende wird das Tier quietschbunt die  im wahrsten Sinne des Wortes unverrückbare Demonstration eines demokratischen Kunstgeschehens dokumentieren. Nicole Peters ist Chefin im Ring. Sie ist Bildhauerein. Sie sorgt dafür, dass im Kreis Kleve Schulhöfe mit „Miteinander Sitzskulpturen“ bevölkert werden. In Kellen steht ein Affe und anderswo stehen andere Skulpturen.
In Emmerich wird ein Chamäleon gebaut. Wie gesagt: Alles in diesem Prozess findet irgendwie demokratisch statt. Jeder darf mitdiskutieren. Am Ende gibt es eine Entscheidung. So wird‘s gemacht. Die Kinder der Rheinschule haben das Chamäleon gewählt – jetzt wird‘s gebaut. Die Betonphase dauert von Montag bis Freitag. Danach muss der Beton „abbinden“. Das sagt nicht die Pressesprecherin – das sagt die Skulpturen-Regisseurin Nicole. Sie hat eine Assistentin dabei: Julia Beier. Julia hat schon bei drei Projekten mitgebaut.
Zuerst wird der „Unterbau“ der Skulptur angefertigt – eine Styroporkonstruktion. Danach wird der Beton aufgetragen. „Die Schicht ist ungefähr so dick“, sagt Rajana und lässt die Hände auseinanderfahren. Am Ende sind die gelben Handschuhinnenflächen circa fünf Zentimeter voneinander entfernt. Überall stehen Eimer. Auf dem Boden liegt etwas, das aussieht wie ein gigantischer Handmixer. Mit dem könnte man sicher mal eben so 50 Liter Sahne steif schlagen. Der Mixer ist zum Anrühren des Betons gedacht. Die Kinder aus der Bautruppe dürfen beim Mixen helfen.
Wenn die Mischung fertig ist, geht‘s ans Auftragen. Das Chamäleon ist in Ansätzen zu erkennen: Zwei Glubschaugen  sind schon ausmodelliert. Die allerdings könnten – je nach Standpunkt des Betrachters – auch zu einem Kamel passen. Aber der Restkörper bestimmt nicht.  Im Prinzip ist der Körper fast fertig. Es ist Donnerstag. „Morgen werden wir schon kleine Tonmodelle bauen. Dann geht es um die Farbwahl für die Sitzskulptur“, erklärt Nicole Peters. Die „Haut“ des Chamäleons wird erst aufgetragen, wenn der Beton abgebunden hat. „Wir haben schon Fliesen zerschlagen“, sagt Nicole Peters und Pressesprecherin Rajana nickt. Das mit den Fliesen wird in der dritten Ferienwoche gemacht und irgendwann im September wird das Chamäleon eingeweiht. Dann wird es eine Party geben. Wer sich dann dem Tier nähert, braucht keine Baustellenklamotten mehr. Dann ist das Chamäleon für alle da. Jetzt steht es unter einem Zelt.Ein Platzregen in der Betonphase würde dem Tierchen nicht guttun. Dem Baustellenpersonal auch nicht.
Worum geht‘s bei den Skulpturen? Einfache Antwort: Um alles. Es geht um den Prozess des Entwickelns, es geht um den Prozess des Miteinander, um die Arbeit an sich, um den Sinn für Proportionen, die Gestaltung, die Farbkomposition und letztlich auch um die Erkenntnis, dass manche Sachen in der Entstehung „gar nicht mal so einfach“ sind. Verstanden. „Wer jetzt aufs Foto möchte, muss die Baustellensachen anhaben“, sagt Nicole Peters. Na denn: Bitte recht freundlich. Nachsatz: In Kellen haben sie seinerzeit einen Affen gebaut. Das ließ sich gut vertexten: Demokratie ist, wenn alle den Affen machen. Diesmal ist‘s ein Chamäleon: Das kann bekanntlich die Farbe wechseln und auch das hat was mit Demokratie zu tun – zumindest dann, wenn wieder Wahl ist. Heiner Frost

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