Der letzte Organistendienst

KRANENBURG. Es geht nicht mehr. Die Wendeltreppe hinauf zur Orgelempore: Ein Kreuzweg. Hans Rühl hat sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Am Sonntag, 17. Juli, wird Rühl seinen letzten Gottesdienst in Frasselt spielen.
Der 86-jährige Rühl bekleidet das Organistenamt siet 75 Jahren. „Aufgrund seiner Parkinson-Erkrankung wird es ihm immer schwerer die Orgelbühne zu erreichen, die ihm in all` den Jahren zur zweiten Heimat geworden ist“, heißt es in einem Schreiben, bei dem es darum geht, den nebenberuflichen Kirchenmusiker mit der Paulus-Plakette zu ehren. „Auf der Zielgeraden eines menschlichen Lebens ist es wohl eher schwierig von Verdiensten zu reden. Da es aber für Liebe und Treue alleine keine Medaillen gibt, fügen wir einige biografische (und damit auch gleichzeitig zeitgeschichtliche) Daten an“, heißt es in dem Schreiben an das Bischöfliche Generalvikariat.
Am 10. Mai 1940 hat Hans Rühl in Frasselt seine erste Werktagsmesse in Vertretung für seinen Vater gespielt, der sich an diesem Tag in der elterlichen Gaststätte um die hier im Kriegswinter einquartierten deutschen Soldaten kümmern musste. Ein ihm zu Weihnachten 1941 geschenktes Buch enthält die Widmung: ‚Hans Rühl als Anerkennung für treue Dienste in der Kirche, besonders an der Orgel. Frasselt, Weihnachten 1941 Kück, Pfrarrer‘.
1942, bei seiner eigenen Firmung durch Diözesanbischof Clemens August Graf von Galen, durfte Rühl ebenfalls die Orgel spielen.  Ab 1942 standen dann Chorbegleitungen und (bis 2010)  Organistenvertretungen in Nachbarpfarren an – während der Kriegszeit im Reserve-Lazarett  Gaesdonck  und täglich während der Evakuierung in  Kervenheim 1944/45. Die Organistentätigkeit begleitete ihn außerdem während seines Studiums  an den Katholischen Pädagogischen Akademien Oberhausen und Köln von 1952-1954. 1954 legte Rühl  sein erstes C-Examen beim Cäcilienverband Köln ab.
Von 1948 bis 1999 war er Chorleiter in Frasselt und parallel von 1973-1983 Leiter des Kirchenchores St. Peter und Paul in Kranenburg. Ein besonderes Ereignis war hier sicherlich 1977 die 750-Jahr-Feier der Grenzstadt, wo unter Rühls Leitung die Bruckner-Messe C-Dur mit allen Chören der Gemeinde (und einer  LP-Produktion) aufgeführt werden konnte.  Regelmäßig vertrat und unterstützte er in Frasselt seinen 1984 verstorbenen Vater und seinen 2002 verstorbenen Bruder Ludwig. Mit diesem hat er maßgeblich – auch finanziell – die neue Orgel ermöglicht, die dann 1994 zusammen mit dem neuen Altar eingeweiht werden konnte.
Am 6.  Januar 1980 erhielt Rühl die Gregorius-Medaille. Er hatte über das Leben  und Wirken des aus Kranenburg gebürtigen und in Goch von 1874 bis 1908 tätigen Peter Heinrich Thielen recherchiert und berichtet. Unter Leitung von Herbert Krey wurde Thielens Oratorium “Die Heilige Maria  Magdalena”  mehrmals (neu) aufgeführt.  Es entstanden: Ein WDR-Mitschnitt und CD. Thielens  Messen  und Liedvertonungen wurden zum Repertoire der Chöre in Frasselt und Kranenburg.Rühl, der hauptberuflich 41 Jahre im Volks- und Hauptschuldienst der Gemeinde stand (seit 1995 Rektor a. D.),  war auch über viele Jahre Motor des hiesigen Dekanatssingens.

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