Ziel: Nüchtern bleiben!

Gruppe Anonyme Alkoholiker Kalkar lädt zum öffentlichen Meeting ins Krankenhaus ein

KALKAR. „Ich bin Hans, Alkoholiker und ich möchte mit dem Trinken aufhören“ – dieser Satz genügt zur Aufnahme in die Gruppe der Anonymen Alkoholiker (AA). Alle Anwesenden kennen nun das „halbe“ Leben von Hans.

Einladung der Anonymen Alkoholiker Foto: nno.de
Einladung der Anonymen Alkoholiker
Foto: nno.de

„Seit 30 Jahren funktioniert so unsere Selbsthilfegruppe in Kalkar“, erläutert Gründungsmitglied Werner. „Wir kennen unsere Vornamen, treffen uns wöchentlich, um unsere Erfahrungen auszutauschen. Wir bleiben unter uns, haben keinen Therapeuten bei den Gesprächsrunden. Das brauchen wir auch nicht, eigentlich sind wir ja alle sozusagen Experten.“ Vor 30 Jahren ging die Initiative zur Gründung der Gruppe von der Familienbildungsstätte aus, dort im Beginenhof haben sich zunächst sechs Mitglieder der Ortsgruppe Kleve getroffen, die Gruppe wuchs im Laufe der Jahre zum best besuchten Ortsverband im Kreis Kleve. Jeden Donnerstag von 20 bis 22 Uhr kommen meist 20 Leute – auch schon mal mehr – zu den Treffen, die seit Schließung des Beginenhofs im St. Nikolaus-Hospital stattfinden. Das liegt sicherlich auch daran, weil im Krankenhaus unter anderem depressive Menschen behandelt werden, die versucht haben, ihre Depression mit Alkohol zu bekämpfen. Ihnen rät Chefarzt Dr. Gerd Gromann zur Teilnahme an der AA-Gruppe.
Einer aus der Gruppe wird zum „Sprecher“ ernannt, diese Rolle übernehmen von Zeit zu Zeit unterschiedliche Mitglieder. Seine     Aufgabe ist es, die Meldungen der Wortbeiträge zu koordinieren.  Als Gerd zum ersten Mal teilnahm, kam es ihm vor wie ein „Kulturschock“. „Ich kannte ja nur noch Gespräche, die an der Theke geführt wurden. Dort musste man sich lautstark durchsetzen, um Gehör zu finden. Hier läuft alles ganz dispzipliniert ab. Jeder erzählt nur von sich. Er liefert keine Gründe, warum er in die Ahängigkeit geraten ist, sondern berichtet von seinen Schwierigkeiten und Problemen, auch von seinen Hoffnungen. Alle hören zu, kommentieren nichts. Es gibt weder gute Ratschläge noch Lob oder Kritik“, erzählt Gerd, der schon seit vielen Jahren „trocken“ ist, aber weiterhin die Treffen besucht.
Hans ergänzt: „Bei uns geht‘s meist heiter zu. Es wird gelacht, man fühlt sich sofort zugehörig, man ist Zuhause. Endlich ist der Stress vorbei, man braucht sich nicht mehr verstecken. Muss nichts mehr verheimlichen. Denn das ist anstrengend, zusätzlich zur Sucht ein ,normales‘ Leben zu führen mit Beruf, Familie und Verein. Wie beschaffe ich das Geld für den Alkohol, wie entsorge ich  das Leergut. Hat man es geschafft, trocken zu bleiben, gewinnt man Lebensqualität. Das Leben wird wieder schön!“
Für viele Menschen gehört Alkoholkonsum zum „guten Ton“, ab wann spricht man denn von Abhängigkeit? Die Herren Hans, Gerd und Werner sind sich einig: „Bei Kontrollverlust, wenn ich nicht mehr steuern kann, wie viel ich trinke. Dann beginnt die Abhängigkeit. Sucht ist, wenn der Konsum immer weiter gesteigert wird.“
Und wann ist man bei den Anonymen Alkoholikern richtig? „Die Gruppe ist nicht für Leute, die Hilfe brauchen, sondern die  Hilfe suchen!“, erklärt Werner und erläutert: „Wir setzten auf Freiwilligkeit und Selbständigkeit. Nur so kann man die Suchtkrankheit in Griff bekommen.“
Und das geht auch nur in ganz kleinen Schritten, indem man sich zunächst vornimmt, in den nächsten 24 Stunden keinen Alkohol anzurühren. Kritische Lebenssituationen erschweren gute Vorsätze. Hans mahnt: „Dann muss man sich immer wieder klar machen, man ist vom Alkolismus immer nur ein Glas weit entfernt.“
Und wie ist die Akzeptanz in der Umwelt? Werner hat sich angewöhnt, beim Angebot von alkoholischen Getränken nicht nur mit „Nein danke“ zu antworten, um den Gastgeber nicht zu brüskieren, sondern gleich eine Alternative aufzuzeigen: „Hast du vielleicht einen Kaffee oder einen Saft für mich?
Der Verzicht lohnt sich, und hebt das Selbstwertgefühlt – bestätigen die drei. „Als mein Sohn mich erstmals wieder um einen Rat gefragt hat, kamen mir die Tränen“,  erinnert sich Hans, denn er weiß, auch die Familien leiden mit, wenn ein Familienmitglied alkoholabhängig ist. Bei den wöchentlichen Treffen „tankt“ Hans immer „seinen Akku  voll“.
Im Gegensatz zu anderen Selbsthilfegruppen beschränken sich die AA-Gruppen auf diese Gesprächsrunden für Frauen und Männer. Die Anonymität ist allen Mitgliedern wichtig, daher werden auch keine weiteren Freizeitaktivitäten angeboten.
Nun möchte sich die Ortsgruppe Kalkar anlässlich des 30-jährigen Bestehens der Öffentlichkeit stellen. Sie lädt ein zu einem öffentlichen Meeting im St. Nikolaus-Hospital, Grabenstraße 86, Kalkar (Raum Treffpunkt DG) am Donnerstag, 19. Mai zwischen 18 und 21 Uhr. An diesem Abend wird Dr. Gerd Gromann über medizinische Aspekte der Alkoholkrankheit referieren und Barbara Kortland von der Suchtberatung Kleve aus ihrer Arbeit berichten.
Wenn Schulen interessiert sind, Schüler mit Erfahrungsberichten von Alkoholikern zu konfrontieren, können sie sich an Dr. Gromann im St. Nikolaus-Hospital wenden.
Am 19. Mai sind alle willkommen, die sich zum Thema „Volkskrankheit Alkoholismus“ informieren möchten.

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