Förderung der biologischen Vielfalt bei der Obstbaukultur

Betrieb Raadts aus Grieth zeigt, wie ideal Natur und Produktion zusammen spielen können

GRIETH. Eingebettet und daher klimatisch gut geschützt liegt der Obstbaubetrieb „Edelobst Raadts“ zwischen Rhein und Baggerloch in Grieth. Die Radfahrer blicken vom Deich aus auf eine Naturidylle, in der zur Zeit die Obstbäume blühen und bewundern die Farbenpracht.

Annette Raadts (r.) stellt sich bei der Betriebsführung gerne allen Fragen von (v.l.) Kreisbauer Josef Peters, Friedhelm Decker, Stiftung Rheinische Kulturlandschaft, Dr. Andreas Mager, Provinzialverband Rheinischer Obst- und Gemüsebauer und Svea Pacyna-Schürheck, Landgard eG NN-Foto: Lorelies Christian
Annette Raadts (r.) stellt sich bei der Betriebsführung gerne allen Fragen von (v.l.) Kreisbauer Josef Peters, Friedhelm Decker, Stiftung Rheinische Kulturlandschaft, Dr. Andreas Mager, Provinzialverband Rheinischer Obst- und Gemüsebauer und Svea Pacyna-Schürheck, Landgard eG
NN-Foto: Lorelies Christian

Die gesamte Anlage wirkt harmonisch, naturbelassen mit seinen in Reih und Glied stehenden Obstbäumen, den Blühstreifen, dem aufgeschütteten Wurzelwerk,     in dem sich die Kaninchen verstecken können, den Brennesselfeldern, in denen sich die Insekten tummeln. Schaut man genau hin  entdeckt man zahlreiche Vogelnistkästen, ein Insektenhotel, einen Imkerwagen, Rosen als „Ankerpflanzen“, im Wind schaukelndes Schilf als Begrenzung und auch kleinere Brachflächen. Was den Betrachter eventuell stören könnte sind die Betonpfeiler, an denen Hagelnetze befestigt sind, die nach der Blüte bis zum Ende der Ernte aufgespannt werden. Hinter allem steht ein durchdachtes Konzept und sehr viel Liebe zur Tier- und Pflanzenwelt.
So wundert es nicht, dass Friedhelm Decker, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Rheinische Kult6urlandschaft, Karl Voges, Vorstandsmitglied der Landgard eG, Dr. Andreas Mager, Vizepräsident ds Provinzialverbandes Rheinischer Obst- und Gemüsebauer e.V., Thomas Muchow, Geschäftsführer der Stiftung Rheinische Kulturlandschaft und die Presse angereist sind, um sich von der Betriebsleiterin Annette Raadts durch den Betrieb führen zu lassen. Vor der Führung erhält die engagierte Gärtnermeisterin im Fachbereich Obstbau eine Auszeichnung für ihren Einsatz, biologische Vielfalt im Lebensraum Obstbaukultur zu fördern. Dazu nahm sie nun auch eine Beratung  der Stiftung Rheinische Kulturlandschaft in Zusammenarbeit mit dem Provinzialverband Rheinischer Obst- und Gemüsebauer e.V. in Anspruch, die innerhalb eines Projektes bereits für 23 Betriebe im Rheinland inidividuelle Maßnahmenkonzepte erarbeitet haben, um gezielt den Lebensraum in ökologischer Funktion zu fördern. Friedhelm Decker betont: „Der Fokus unseres gemeinsamen Projektes liegt darin, Naturschutzmaßnahmen so auszuwählen, dass sie einen großen Nutzen für die Förderung der biologischen Vielfalt aufweisen und gleichzeitig leicht in die Produktion integrierbar sind.“ Dr. Andreas Mager, Vizepräsident des Provinzialverbandes Rheinischer Obst- und Gemüsebauer e.V.,  ergänzt: „Das Projekt bietet den Obstbauern einen Überblick, welche Maßnahmen auf ihren Betrieben zur Umsetzung in Frage kommen und geben eine erste Hilfestellung, wie die Umsetzung gelingen kann.“
Svea Pacyna-Schürheck, Bereichsleiterin Qualitätsmanagement bei Landgard kündigt an: „Wir sind begeistert von dem großen Interesse der rheinischen Obstbauern an dem Projekt teilzunehmen und freuen uns mitteilen zu können, dass das Projekt für ein weiteres Jahr gefördert wird.“ Eine weitere Würdigung erhielt das Projekt bereits durch die Auszeichnung im Rahmen der UN-Dekade Biologische Vielfalt in Berlin.
Annette Raadts führt seit 1998 den im Jahre 1946 von ihren Großeltern gegründeten Obstbau-Betrieb. Sie liebt ihre Arbeit und dabei besonders das Zusammenspiel zwischen Pflanzen- und Tierwelt. Eine Augenweide sind die Blühstreifen, in denen Raps, Ringelblumen, Sonnenblumen, Buchweizen, Dill, Fenchel, Ölrettich und Kleesorten die Insekten anlocken, die wiederum für die Bestäubung der Obstbäume sorgen. Die Vögel fühlen sich ebenso wohl, Rauchschalben fliegen in die Scheune ein und aus, wo sie rund 20 Nester gebaut haben.  Die Spatzen schlüpfen durch die Ritzen unter dem Dachabstand. Turmfalke und Mäusebussard sind ebenso gern gesehene Gäste wie Feldsperlinge, Spatzen oder Stieglitze.
Nun lässt Annette Raadts sich durch die Stiftung Rheinische Kulturlandschaft beraten, welche Wildkräuter sie wohl noch zusätzlich aussäen kann. „Da sind ja noch ein paar Quadratmeter, die wir freigelassen haben“, zeigt sie auf die Blühstreifen-Flächen zwischen den verschiedenen Plantagen, zu denen 7 Hektar für Obstbäume und 2 Hektar für Erdbeeren gehören – ein kleiner Betrieb, der auf Selbstvermarktung setzt.
„Die Kunden erwarten von den Obst- und Gemüsebauern, dass sie sich für Naturpflege einsetzen und dabei möglichst große Biodiversität – also Vielfalt von Pflanzen und Tieren – schaffen. Andererseits wollen sie makellose Ware kaufen“, erlärt Dr. Andreas Mager.
Auch der Klimawandel mache sich bereits bemerkbar, erläutert der Experte mit dem Beispiel, dass früher alle zehn bis 15 Jahre mit heftigem Hagel zu rechnen war und inzwischen der Eisregen circa alle zwei Jahre die Ernte „verhagelt“. Und das ist der Grund, warum Obstbauern diese Gefahr durch Aufspannen von Hagelnetzen abwenden. Sieht nicht so schön aus, ist aber effektiv: Nach der Blüte bis zum Ernte-Ende bleiben die Netze aufgespannt. Weitere Investitionen sind notwendig, wie Bewässerungsanlagen und Sprühanlagen, die bei Frost zum Einsatz kommen.
Erst wenn alles miteinander im Gleichklang ist, können die Obstbauern wirtschaftlich arbeiten und Naturliebhaber das vielfältige Landschaftsbild genießen.

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