Berufskolleg Goch:
„Ein künstliches Problem“

Ausbildungsbetriebe in Emmerich, Kleve und Goch warnen vor Schließung des Berufskollegs Goch.

KREIS KLEVE. Gutachten – bei diesem Wort überkommt Lukas Verlage „immer ein schlechtes Gefühl“, sagt der Geschäftsführer von Colt International in Kleve. „Wenn ein Gutachten in Umlauf ist, wird man letztlich meist vor vollendete Tatsachen gestellt.“ Genau das befürchten Verlage und Vertreter weiterer Ausbildungsbetriebe aus dem Nordkreis, wenn es um die mögliche Schließung des Gocher Standortes des Kreis-Berufskollegs geht, über die seit einigen Monaten spekuliert wird. Aus diesem Grund brachten die Betriebe gestern in den Räumen von Kao Chemicals in Emmerich ihre Sorgen, aber auch ihr Unverständnis für die gesamte Situation noch einmal zum Ausdruck.

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Aus für das Berufskolleg: Über die Schließung des Goch Standortes wird viel gesprochen und spekuliert. NN-Foto: Rüdiger Dehnen

Der Bildungsgutachter Dr. Garbe hat für den Kreis im Zuge seiner Schulentwicklungsplanung ein Gutachten erstellt, in dem offenbar der Standort Goch zur Disposition gestellt wird. Beim Kreis jedoch betont man, dass die Ergebnisse des Gutachtens noch gar nicht bekannt seien und es auch nicht feststehe, ob die Schließung darin überhaupt thematisiert werde.

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An die Öffentlichkeit gelangten die Schließungspläne, die laut Kreis reine Spekulation sind, Ende vergangenen Jahres von Seiten der Schule; die Politik wurde davon ebenso überrascht wie die Ausbildungsbetriebe. Die Kreistagsfraktionen von SPD und Grünen stellten seitdem Anfragen an Landrat Wolfgang Spreen, konkrete Antworten gab es mit Verweis auf einen „internen Abstimmungsprozess“ jedoch nicht. Dies wiederum sorgte bei den Grünen für Verärgerung: „So eine nichtssagend-brüske Antwort haben wir noch nie erhalten“, heißt es in einem Kommentar auf der Homepage. „Wir als SPD-Kreistagsfraktion werden sehr kritisch auf den Schulentwicklungsplan schauen und die Schließungspläne sehr dezidiert hinterfragen“, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Jürgen Franken bereits beim Neujahrsempfang. „Bislang erkenne ich jedenfalls wesentlich mehr Nachteile als Vorteile hinsichtlich Schließung des Standortes Goch.“ Andreas Sprenger, Fraktionsvorsitzender der CDU Goch, betont: „Der Berufschulstandort Goch ist nicht nur logistisch eine ideale Lösung. Auch Gebäude und technische Ausstattung sind sehr gut.“ Seiner Meinung nach sei es „nicht einzusehen, einen solchen Standort aufzugeben“.

Nun melden sich auch die betroffenen Ausbildungsbetriebe zu Wort. Im Fokus stehen vor allem die Industriekaufleute. „Für unsere Ausbildungsbemühungen wäre die Schließung des Gocher Berufskollegs ein herber Rückschlag“, sagt Hans-Georg Blös, Leiter Personal- und Sozialwesen bei Kao in Emmerich. Aufgrund der zunehmenden Akademisierung und der demografischen Einflüsse werde es ohnehin schwieriger, junge Menschen für eine Lehre zu begeistern. „Solche Überlegungen machen eine Ausbildung noch aufwendiger und stellen einen weiteren Nachteil für uns dar, geeignete Bewerber zu finden.“

[quote_box_left]Berufskolleg Goch
Rund 1.200 Auszubildende werden am Standort Goch des Berufskollegs Kreis Kleve in zwölf kaufmännischen Berufen unterricht.
Ausschließlich dort gibt es Automobil-, Bankkaufleute, Fachkräfte für Lagerlogistik, Fachlageristen, Medizinische, Zahnmedizinische und Steuerfachangestellte.[/quote_box_left]Denn: Es wird heftig darüber spekuliert, dass beispielsweise die Industriekaufleute nach der Schließung des Gocher Standortes dann im neuen Gelderner Berufskolleg beschult werden sollen. Für Azubis aus den Emmericher Ortsteilen würde das einen Schulweg von rund zwei Stunden Anfahrtszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln bedeuten. „Im Grunde ist das nicht zumutbar“, sagt Blös. Eine Alternative wäre dann das Berufskolleg in Wesel, das in rund der Hälfte der Zeit zu erreichen wäre. Oder es könnte sogar soweit kommen, dass mancher Betrieb gar nicht mehr ausbildet.

Auch Lukas Verlage reagiert mit Unverständnis auf die mögliche Schließung, die seiner Meinung nach „ein künstlich kreiertes Problem“ ist: „75 Prozent der Industrie-Kaufleute in Goch kommen von Betrieben aus dem Raum Kleve und Emmerich. Die künftig nach Geldern zu schicken, wäre totaler Irrsinn.“ Ganz abgesehen davon, dass die Lehrlinge bei Tages- statt Blockunterricht es zeitlich gar nicht mehr nachmittags zur Arbeit im Betrieb schaffen würden.

Wie die Kreis-SPD und die Kreis-Grünen, so hat auch Colt als Ausbildungsbetrieb den Landrat angeschrieben und um eine Stellungnahme geben. Die Antwort: dieselbe. „Interner Abstimmungsprozess“, keine Auskunft, bevor nicht die politischen Gremien informiert sind. Dies soll offenbar am 19. April bei der Sitzung des Schul- und Kulturausschusses des Kreises passieren; es ist vorgesehen, dass der Schulentwicklungsplan auf die Tagesordnung kommt. Deshalb appellieren die Ausbildungsbetriebe – darunter auch Katjes in Emmerich und Nähr-Engel in Goch – an die Kreis-Politiker, „darauf Einfluss zu nehmen, dass die Unternehmen nicht benachteiligt werden“. Klaus Verlage befürchtet: „Die politischen Gremien entscheiden über die Schließung, und wir müssen damit leben.“

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