„Wer sich durch Salzbergbau geschädigt fühlt, bitte melden!“

Bürgerinitiative will Schadenskataster erstellen, um Forderungen nach Schiedsstelle zu bekräftigen

GINDERICH/BÜDERICH. Am 20. November wurde in Büderich die Bürgerinitiative Salzbergbaugeschädigter gegründet. Deren vorrangiges Ziel ist die Einrichtung einer Schiedsstelle für den Salzbergbau in NRW. Eine solche Schiedsstelle gibt es bereits für den Kohleabbau, sie unterstützt Geschädigte bei der Schadensregulierung.

Beim ersten Besuch im Landtag v.l. Markus Skeide (stellv. Vorsitzenderder Bürgerinitiative), Norbert Meesters (SPD), Gudrun Zentis (Grüne), Torsten Schäfer (Schriftführer), Hermann Norff (Beirat), Wilhelm Fischer (Vorsitzender) und René Schneider (SPD). Foto: nno.de
Beim ersten Besuch im Landtag v.l. Markus Skeide (stellv. Vorsitzenderder Bürgerinitiative), Norbert Meesters (SPD), Gudrun Zentis (Grüne), Torsten Schäfer (Schriftführer), Hermann Norff (Beirat), Wilhelm Fischer (Vorsitzender) und René Schneider (SPD).
Foto: nno.de

„Die Schaffung einer Schlichtungsstelle für den Salzkohlebergbau – analog der des Kohlebergbaus – könnte den Betroffenen in einem für sie kostenfreien und transparenten Verfahren eine sachgerechte Hilfe in Salzbergbauschadensfällen anbieten. Eine mit Kostenrisiken verbundene gerichtliche Auseinandersetzung zur Klärung etwaiger Ersatzansprüche soll damit möglichst vermieden werden“ begründet Wilhelm Fischer, Vorsitzender der Bürgerinitiative, das Vorgehen. Dieses Anliegen trugen Vertreter der Bürgerinitiative bei zwei Besuchen im Landtag auch Politikern von SPD und CDU vor. Von beiden Seiten wurde ihnen Unterstützung signalisiert.
„Es waren durchweg konstruktive Gespräche, die wir dort geführt haben“ so Fischer. „Wir konnten vermitteln, dass vielen Bürgern im Abbaugebiet gar nicht bewusst ist, auf was für einem Pulverfass sie leben. Schäden aus dem Salzbergbau können in einem Zeitraum von bis zu mehr als 150 Jahren auftreten. Wir sind hier erst am Anfang der Probleme.“
Fischer spricht damit nicht nur Schäden an Gebäuden an, sondern auch die Gefahrenpotentiale bei Hochwässern oder Stark­regenereignissen. „Rund 10.000 Haushalte befinden sich auf dem Gebiet, unter dem Salz abgebaut wurde oder noch wird. Diese ganze Region senkt sich langsam und großflächig, das kann noch über 100 Jahre so weiter gehen. Wir haben zwar gute, sichere Deiche, an deren Sanierung und Verbesserung sich die Salzbergbau betreibenden Firmen auch beteiligen, aber sollte dennnoch einmal ein ‚Jahrhunderthochwasser‘ kommen  oder extrem viel Regen fallen und diese Senke volllaufen, dann wird dieses Wasser nicht mehr von selber ablaufen können, es müsste abgepumpt werden. Um für so einen Fall gerüstet zu sein, müssen spezielle Pumpstationen errichtet werden.“
Zunächst aber will man – auch mit politischer Unterstützung – die Einrichtung einer Schiedsstelle vorantreiben. „Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen ist es wichtig, dass sich viele Betroffene der Bürgerinitiative anschließen“ betont Fischer. „Denn anders als im Kohlebergbau treten die durch Salzbergbau verursachten Schäden oft erst nach vielen Jahren auf. Aber es gilt die gleiche Verjährungsfrist – 30 Jahre – wie bei der Kohle. Deshalb ist es wichtig, dass die Schäden gemeldet werden.“
Er fordert die Bewohner des Abbaugebietes auf, ihre Häuser nach Rissen oder anderen Schäden zu überprüfen und diese an die Bürgerinitiative – aber auch an die im Auftrag der Solvay schadensregulierende Firma Cavity – zu melden. Diese Schäden werden von der Bürgerinitiative anschließend in einem Kataster zusammengefasst und an die Politik übergeben, um den Forderungen Nachdruck zu verleihen.
„Die Cavity spricht immer nur von Einzelfällen, die dann auch in 99 Prozent aller Fälle zufriedenstellend geregelt worden seien“ erläutert Fischer. „Zu einer von uns eingerufenen Bürgerversammlung sind aber rund 300 Leute gekommen, die sich durch den Salzbergbau geschädigt fühlen. Das sind ja bei weitem keine Einzelfälle und es gibt auch bestimmt noch viel mehr Betroffene in diesem riesigen Gebiet.“
Reinhard Maly, Geschäftsführer und Markscheider der Cavity GmbH mit Sitz in Rheinberg, sieht die Situation vollkommen anders. Er erläutert das Vorgehen der Cavity in einem Gespräch mit der Redaktion, um das er gebeten hatte: „Seit Jahrzehnten haben wir ein dichtes Messnetz in dem gesamten Gebiet, unter dem die Solvay abgebaut hat, eingerichtet. Es gibt 3.200 verschiedene Messpunkte. Seit Abbaubeginn liefern diese eine objektive Datengrundlage. Wir stellen Hauseigentümern kostenlose Höhenbolzen zur Verfügung. Allen, die es wünschen, bieten wir eine kostenlose Einmessung ihres Privateigentums an. Die Messdaten sind einsehbar und nachvollziehbar und auf Basis dieser genauen Messungen erfolgt eine objektive Beurteilung. Denn längst nicht alle Gebäudeschäden, die in der Region auftreten, sind auf den Salzbergbau zurückzuführen. Diese private Einmessung geht weit über die gesetzlichen Vorgaben hinaus.“
Maly betont auch, dass die Cavity nicht nach der Beweislast frage. „Das Gesetz, dass der Geschädigte nachweisen muss, dass sein Schaden durch Abbau entstanden ist, galt bis 1981 und gilt auch heute noch in den Bereichen, unter denen vor dieser Zeit abgebaut wurde. Rückwirkend wird niemand dieses Gesetz ändern. Seit 1981 gilt im Salzbergbau die gleiche Beweislast wie im Kohlebergbau. Wir erstellen nach der Aufnahme und der Dokumentation von Schäden eine detaillierte Analyse und lassen durch Fachleute beurteilen, ob es sich um einen Bergschaden handelt. In Zweifelsfällen wird ein unabhängiger Gutachter hinzugezogen. In den vergangenen 25 Jahren konnten wir in fast in allen Fällen eine einvernehmliche Lösung erzielen. Nur ein einzelner Fall ist vor Gericht gelandet, das dann bestätigte, dass dieser Schaden nicht durch den Salzbergbau entstanden ist. Wenn sich bei uns all die Leute melden, die glauben, vom Salzbergbau geschädigt zu sein, dann werden wir in jedem Fall versuchen, eine gute Lösung zu finden. Wenn wir von diesen Schäden aber nichts wissen, können wir auch nicht regulieren. Eine Schiedsstelle würde an diesem ganzen Verfahren aber nichts ändern.“
Politker aller Coleur bewerten die Aussage von Reinhard Maly zu unabhängigen Gutachtern jedoch anders. Beim Treffen mit der CDU im Landtag bemängelten die Abgeordneten Josef Hovenjürgen und Josef Wirtz, dass nach geltendem Recht allein ein Gutachten der Cavity als zuständige Stelle von Relevanz ist. Beide sind übereinstimmend der Überzeugung, dass der Markscheider nicht Angestellter der Cavity/Solvay sein kann, da dadurch eine wirtschaftliche Unabhängigkeit unmöglich ist. Völlig ausgeschlossen ist nach ihrem Ermessen bei geltendem Bergrecht eine Doppelfunktion wie Markscheider und Geschäftsführer einer begutachtenden Stelle wie im Fall Cavity.
Zum Abschluss der Gespräche wurden folgende Punkte als wichtig erachtet: Die Abgeordneten werden in den zuständigen Ausschüssen die Probleme des Salzbergbaus thematisieren.  Es soll eine gleichberechtigte Behandlung gefordert werden unabhängig davon, ob es sich um Steinkohle, Braunkohle oder dem Salzabbau handelt.
Die Einrichtung einer Schiedsstelle in Anlehnung an den Steinkohlebergbau soll angesprochen werden, die Umkehrung der Beweislast und die Einschaltung des geologischen Landesamtes. Außerdem wird die Bürgerinitiative das Schadenskataster als Grundlage für weitere Schritte erstellen.

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