„Ich hatte damals eine Chance“

Eine Issumer Flüchtlingshelferin kann die Schul-Zuweisung eines ihrer Schützlinge nicht nachvollziehen

AM NIEDERRHEIN. Die Schulämter in den Kreisen Kleve und Wesel stemmen derzeit die Aufgabe, eine wachsende Zahl an Flüchtlingskindern – derzeit insgesamt über 2.000 – an Schulen zu verteilen. Nicht alle Seiteneinsteiger können ihrem Leistungsstand entsprechend zugeteilt werden.

Tatjana Schenk vor der Liebfrauenschule Geldern NN-Foto:  M. Križnik
Tatjana Schenk vor der Liebfrauenschule Geldern
NN-Foto: M. Križnik

Diese Form der Zuweisung sei „Integration schädigend”, findet die Issumer Flüchtlingshelferin Tatjana Schenk. Einer ihrer Schützlinge, ein 12-jähriges Flüchtlingsmädchen, das in seiner Heimtat die fünfte Klasse beendet hatte, besucht nun eine siebte Klasse der Geschwister-Scholl-Schule in Geldern. „Mir hat man damals eine Chance gegeben”, sagt die 31-Jährige, die als 16-Jährige, nach ihrer Übersiedlung aus Russland eine Förderklasse besucht hat. Nach Hauptschulabschluss und Abitur an einer Gesamtschule, hat sie ein Pharmaziestudium absolviert. „Als das Mädchen auf die Zuweisung gewartet hat, habe ich mit der Liebfrauenschule in Geldern Kontakt aufgenommen. Diese war bereit, sie in einer sechsten Klasse aufzunehmen.” Schenk, die derzeit drei Flüchtlingsfamilien betreut: „Das Schulamt für den Kreis Kleve teilte mir mit, dass die Zuweisung nur abgeändert werden könnte, wenn die Geschwister-Scholl-Schule erklärt, dass sie das Mädchen nicht nehmen könne, weil sie weder über eine fünfte oder sechste Klasse verfügt und die Liebfrauenschule sollte erklären, dass sie die Schülerin aufnimmt”, erzählt die Apothekerin.

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Schließlich der Bescheid: Das Mädchen müsse an der Geschwister-Scholl-Schule verbleiben, da „die erste Anforderung für diese Kinder ist, die deutsche Sprache zu erlernen und es unerheblich ist, in welcher Klassenstufe sie sich befinden.” Tatjana Schenk wandte sich an die Bezirksregierung Düsseldorf. „Man bedankte sich für mein Engagement, aber schrieb, dass aufgrund der hohen Anzahl an Flüchtlingskindern eine Umverteilung der Kinder nicht vorgesehen sei”, berichtet sie und fährt fort: „Ich verstehe, dass es zurzeit für alle richtig anstrengend ist, da niemand mit der Aufgabe gerechnet hat, so viele Kinder irgendwie unterzubringen, aber ich habe den Eindruck, dass der Mitarbeiterin im Schulamt nicht viel an sorgfältiger Arbeit mit Flüchtlingskindern liegt.” Birgit Pontzen, Schulrätin des Kreises Kleve: „Die Zahl der Seiteneinsteiger wächst rasant und ich kann nur nach staatlichen Integrationsstellen verteilen. Leider kann ich keine Ausnahmen machen. ” Im Vordergrund der Zuweisung stehe, Plätze und Möglichkeiten laut Absprachen mit Kommunen und den 104 Schulen im Kreis zur Verfügung zu stellen. Die Kinder sollen die deutsche Sprache erlernen und in einer Klassengemeinschaft integriert werden. Sobald der Leistungsstand der Kinder und Jugendlichen erhoben ist, erfolgt die endgültige Zuweisung. Pontzen: „Das ist schwer genug, es gibt welche, die in einem halben Jahr Deutsch lernen und andere, die mit 16 Analphabeten sind, die kann man ja nicht einer Grundschule zuweisen. Erschwerend hinzu kommt, dass Hauptschulen schließen werden und dass jeder Seiteneinsteiger innerhalb von zwei Jahren Deutsch lernen soll”, erläutert Birgit Pontzen. Und außerdem habe man ja noch den Aspekt der Inklusion. Birgit Pontzen: „Ich bin stolz, dass ich ein System entwickeln konnte, dass es ermöglicht, Flüchtlingskinder innerhalb von zwei Tagen einer Schule zuzuweisen.” Sie sei froh, wenn sie für alle schulpflichtigen Flüchtlingskinder einen Platz habe. Petra Klisch, Schulamtsdirektorin für den Kreis Wesel: „Wir bemühen uns, wohnortnah in altersgemäße Regelklassen zuzuordnen, da ansonsten die Integration schwierig ist. Das Kommunale Integrationszentrum berät uns hierbei.” Aber bei der großen Menge an Schülern mit einer großen Leistungsstreuung sei es fast nicht mehr möglich, dem Leistungsstand entsprechend zuzuweisen.

Info:

Im Kreis Kleve wurden bislang 1010 Flüchtlingskinder als Seiteneinsteiger an 104 Schulen und im Kreis Wesel 1261 Flüchtlingskinder an 133 Schulen zugewiesen.

 

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