“Wir teilen die Ware, solange es geht”

Auch die Gelderner Tafel ist an ihrer Leistungsgrenze angekommen. Aufnahmestopp ist hier kein Thema

GELDERN. Die Flüchtlingsströme lassen viele Tafeln an ihre Leistungsgrenzen kommen. Das ist in Geldern nicht anders. Aber einen Aufnahmestopp, wie mancherorts, wird es bei der Gelderner Tafel nicht geben, betont deren Vorsitzender und Gründer Alfred Mersch. Einem Team aus 80 Ehrenamtlern und einem ausgeklügelten System ist es zu verdanken, dass Bedürftige aus 30 Nationen teilen können, was „da ist“ und dennoch niemand leer ausgehen muss.

Bei der Ausgabe: Mitarbeiter des Tafelteams NN-Fotos:  Marjana Križnik
Bei der Ausgabe: Mitarbeiter des Tafelteams
NN-Fotos: Marjana Križnik

Rosenkohl gibt es in Hülle und Fülle, obwohl gerade großer Ausgabetag war. Dass das Wintergemüse lecker und gesund ist, muss sich scheinbar bei den neuen wie auch den angestammten Tafelbesuchern noch herum sprechen. Aus der anfänglichen Ausgabestelle für Lebensmittel ist längst ein Kommunikationszentrum für die Tafelbesucher geworden ist. „Die Vernetzung untereinander ist sehr groß“, weiß Alfred Mersch.  Nach dem Ausgabetag lagern in den Tafel-Räumlichkeiten noch jede Menge Lebensmittel: Kartoffeln und anderes Gemüse, Äpfel, Salat, Champignons, Wurst und noch vieles andere mehr. „Spät ist es gestern wieder geworden“, berichtet Alfred Mersch. Er ist zu Recht stolz, dass er und sein Team, bestehend aus „Top-Leuten“, wie er betont, die Arbeit immer noch stemmen können. „Durch die vielen neuen Besucher – die Flüchtlinge – ist die Zahl der bedürftigen Menschen, die wir mit Lebensmitteln versorgen, auf etwa 1500 angestiegen“, erzählt Alfred Mersch und fährt fort: „Als Im Herbst immer mehr Flüchtlinge kamen, haben wir uns Gedanken gemacht, wie wir das in den Griff bekommen und beschlossen: Wir teilen die Ware, solange es geht.“ Außerdem habe man im Januar das Ausgabeteam um zwei Helfer in Geldern und einen Ehrenamtler beim mobilen Team erweitert um die Ausgabe schneller abwickeln zu können und die Wartezeiten zu verringern. Unterstützt wird, wer bedürftig ist und dies nachweisen kann. „Wir haben auch drei große Firmen, die Lebensmittel anliefern sowie Lieferer von Zuspenden, die wir dringend brauchen“, freut sich Alfred Mersch. Die Tafelmitarbieter helfen nicht bloß, Lebensmittel vor dem Vernichten zu retten, betont Mersch. „Mit den Hartz-IV-Sätzen können Sie keine großen Sprünge machen und wenn Sie jede Woche ein Lebensmittelpaket bekommen, hilft das, ein bisschen besser leben zu können. Wenn etwa eine allein erziehende Mutter mit ihren Kindern ins Kino oder in den Zoo gehen kann oder – für uns selbstverständlich – Kaffeetrinken, dann freuen wir uns, das ist der Sinn der Sache.“

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Bei der Ausgabe: Mitarbeiter des Tafelteams
Bei der Ausgabe: Mitarbeiter des Tafelteams

Aber auch das Miteinander im Tafel-Team sei besonders. „Es herrscht eine tolle Stimmung, wenn wir nach den Touren zusammen sitzen“, sagt Alfred Mersch lächelnd und betont: „Unser Dienst ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Viele Bürger unterstützen uns mit Geld- oder aber auch Lebensmittelspenden.“ Alfred Mersch erinnert sich: „Am 6. April machen wir diese Arbeit seit 15 Jahren – ohne Unterbrechung. Als wir starteten, war hier ein weißer Fleck.“ Das große Anliegen sei die Verlässlichkeit. Mersch: „Wenn wir etwas anbieten oder zusagen, dann können die Menschen sich darauf verlassen, dass das geschieht.“ So etwa der Bringedienst für kranke oder gebrechliche Bedürftige oder aber das gesunde Frühstück für Schulkinder. Ein ausgefeiltes System entzerrt die Ausgabe: Alle Berechtigten erhalten einen Tafelausweis und es gibt ein Nummernsystem. Mersch: „Gelb steht für früh, also ab 14.30 Uhr, und Rot steht für spät ab 17 Uhr.“ Die Farben wechseln von Woche zu Woche. Mersch: „Das System klappt ganz hervorragend.“
Bei der mobilen Ausgabe würden Nummern verteilt, so würde stundenlanges Anstehen verhindert. „Aber das Gefühl, zu spät zu kommen, ist dennoch immer da bei unseren Besuchern“, sagt Alfred Mersch nachdenklich.
Derzeit sei man dabei, einige Dinge ein wenig zu ordnen. „Die vielen Besucher belasten natürlich das Umfeld. Wenn da ein Pulk von 50, 60 Leuten steht, ist das klar, dass es laut wird,“ gibt Mersch zu bedenken. Der Auffassung: Bedürftige muss es natürlich geben, aber nicht in unserer Nähe, smöchte er entgegen setzen: „Ich will bewusst nicht aus der Mitte der Gesellschaft weg. Das sind unsere Bürger, und mit denen will ich mich nicht verstecken. Wo wir diese Menschen empfangen, zeigen wir, dass sie zu uns gehören und wir ihnen mit Wertschätzung begegnen: Wir möchten euch so empfangen, wie ihr es verdient habt.“
Marjana Križnik

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