Von der Gründerzeit bis zum “Postpausenzug”

KRANENBURG. Kranenburger Karnevalsmathematik ist einfach: 2.016 minus 1.954 = 62. 62 ist kein Alter. 1954 wurde die Karnevalsgesellschaft Krunekroane gegründet. Seitdem: Sitzungskarneval. Die Sache mit dem Straßenkarneval muss anders gezählt werden. Es gibt Gründerjahre, Zugpause und Postpausenzüge. Post hat nicht mit Briefen zu tun. Post ist lateinischen und steht für ‚nach‘. Dirk Willemsen ist Mitglied des Zug-Komitees für den Frühschoppenzug. Willemsens Baujahr: Krunekroanegründungsjahr plus zwei. Wer nach Karnevalsgeschichte(n) sucht, ist bei Willemsen richtig. Von 1954 bis 1973 hatte Kranenburg einen Rosenmontagszug.

Willemsen: „Der Zug war weit über Kranenburgs Ortsgrenze hinaus bekannt. Über unseren Zug wurde regelmäßig berichtet – sogar vom Fernsehen.“ ‚Hier und Heute‘ baute Kameras auf und berichtete vom Grenzfrohsinn. 1974 begann dann jene „zuglose Zeit“, die bis 1985 andauerte und über deren Gründe trefflich spekuliert werden kann. Fest steht: Beim Rathaussturm – damals sonntags abgehalten – tauchte irgendwann ein Prinzenwagen auf. Aus einem Wagen (1983) wurden drei (1984). In der Chronik des Zugkomitees liest es sich so: „Es war einmal im Jahr 1983, da regierte ‚Wilhelm, der Überschäumende‘. Er fuhr mit einem großen Prinzenwagen vor das Bürgermeisteramt. (…) 1984, Prinz Friedhelm der Löschende regierte nun in Kranichland, waren es schon drei prächtige Karnevalswagen. Diese drei Prunkwagen waren für Friedel Aschemann der Anlass, ein Versprechen abzugeben.“ Im nächsten Jahr, so Aschemann, würden wenigstens noch drei zusätzliche Zugnummern dabei sein. Es kam anders. Am 7. November ‘84 wurde als Unterabteilung der Krunekroane ein neues Zugkomitee gegründet. Franz-Martin Erben, Gerd Rütten und Dirk Willemsen planten, der zuglosen Zeit ein Ende zu setzen. Nach elf abstinenten Jahren, in denen Prinzen ohne Zug regierten, konnte sich 1985 „Karl-Theo (Lenz) der Frühlingsbote“ wieder über einen Karnevalszug in Kranenburg freuen.

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Dirk Willemsen ist eine der festen Größen im Kranenburger Karneval. NN-Foto: HF
Dirk Willemsen ist eine der festen Größen im Kranenburger Karneval. NN-Foto: HF

Eine kleine Änderung gab es allerdings: Aus dem Rosenmontagszug der krunekroanischen Gründerzeit war jetzt ein Tulpensonntagszug geworden, der auf den Namen „Frühschoppenzug“ getauft wurde. Das Motto des ersten Frühschoppenzuges: „Wej loote et wäär loope“ (Wir lassen es wieder laufen). „Ich weiß es nicht mehr ganz genau, aber wir hatten damals um die 40 Zugnummern“, erinnert sich Dirk Willemsen – bis heute Mitglied im Zugkomitee, zu dem derzeit außerdem noch Frank Gertsen, Manfred Janssen, Jürgen Pau, Thomas Peters und Stephan Thyssen gehören. Was hat sich seit 1985 geändert? Dirk Willemsen: „Eine einschneidende Änderung war die Katastrophe bei der Love Parade. Seit dieser Zeit müssen wir ein Sicherheitskonzept vorlegen. Natürlich wurde auch vorher über Sicherheit nachgedacht, aber seitdem geht es darum, dass wir unser Konzept einreichen müssen. Die Wagen im Zug müssen vom TÜV überprüft werden. Dazu müssen pro Wagen mindestens vier Leute mitlaufen, die darauf achten, dass nichts passiert. Da hat sich einiges getan.“

Der Orden von Prinz Daniel – gestaltet von Dirk Willemsen. "Ein lokaler Bezug ist dabei sehr wichtig." NN-Foto: HF
Der Orden von Prinz Daniel – gestaltet von Dirk Willemsen. “Ein lokaler Bezug ist dabei sehr wichtig.” NN-Foto: HF

Früher, so Willemsen habe es viel Live-Musik gegeben. „Teils hatten wir bis zu 14 Kappellen dabei. Heute sieht das anders aus.“ Der Grund: Die Beschallung, die von den Wagen kommt. „Wir veranstalten alljährlich eine Vorbesprechung mit den Zugteilnehmern und sagen immer wieder, dass die Stimmung garantiert nicht mit der Lautstärke steigt. Manche, die auf den Wagen stehen, tragen Ohrstöpsel und ich sage auch schon mal: Dreht doch die Boxen mal zu euch – dann merkt ihr wie laut das ist.“ Auf den Wagen der Krunekroane gilt Musikverbot. Willemsen: „Wenn du in einer Live-Kapelle spielst und wirst dann von einer Monsteranlage weggepustet, macht das wenig Spaß.“ Also Vorgabe in Sachen Musik gilt: Stimmungsmusik ja  – Techno nein.

Ebenfalls wichtig für einen möglichst reibungslosen Ablauf: Die sechsköpfige Zugpolizei. Willemsen ist alljährlich nicht nur „Zugdirigent“, sondern auch zuständig für die künstlerischen Belange. Wenn es was zu Malen gibt, fragen sie ihn. Er bemalt Wagen, entwirft in der Regel die Kranenburger Prinzenorden und hat auch die neue Kulisse für die bunten Abende der Krunekroane im Bürgerhaus „geliefert“. „Das Zugkomitee war 2010 Träger des Kranichordens, der alljährlich von den Krunekroane für den Einsatz im Sinne des europäischen Gedankens verliehen wird. Willemsen: „Wir arbeiten ja schon immer mit den holländischen Karnevalsvereinen zusammen. Ich kenne das gar nicht anders. Insofern haben wir natürlich auch im Karneval mit dem europäischen Gedanken zu tun.“ Wer sich den Frühschoppenzug in Kranenburger ansehen möchte, sollte am Tulpensonntag zeitig zur Stelle sein. Planmäßige Abfahrt: 11.11 Uhr. Aber … es ist wie bei der Bahn. Das kann schon mal einen Tick später werden.

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