XANTEN / GELDERN. „Die Juden sind unser Verderben“ – diese Parole wurde  propagiert, als Eva Weyl gerade geboren warwar. Sie ist Jüdin, bis heute spürt sie Vorurteile gegen Juden. Gerade deshalb sucht die heute 80-Jährige Begegnungen zur jungen Generation, die das in der Nazizeit Geschehene nicht vergessen soll und aktiv die Welt verbessern kann.  

Eva Weyl (r.) ist Holocaust-Überlebende. In der Marienschule Xanten (Foto oben) und in der Liebfrauenschule in Geldern berichtete sie aus der Schreckenszeit der Juden-Verfolgung NN-Fotoa: L. Christian / M. Kriznik
Eva Weyl (r.) ist Holocaust-Überlebende. In der Marienschule Xanten (Foto oben) und in der Liebfrauenschule in Geldern berichtete sie aus der Schreckenszeit der Juden-Verfolgung
NN-Fotoa: L. Christian / M. Kriznik
Holocaustüberlebende Eva Weyl spricht vor Schülern
Holocaustüberlebende Eva Weyl spricht vor Schülern

So war sie nun zu Besuch in der Marienschule Xanten und in der Liebfrauenschule Geldern. Sie eröffnete ihren Vortag mit den Worten: „Ihr werdet jetzt meine Zeitzeugen. Ihr seid absolut nicht verantwortlich für die deutsche Vergangenheit, wohl aber für die Zukunft. Daher möchte ich euch nun meine Geschichte aus der NS-Zeit erzählen und gleich vorweg sagen, für unsere Familie hatte sie ein Happy-End.“
Ihre Eltern hatten ein großes Textilunternehmen in Kleve, dort wo sich heute das Kaufhaus Galeria an der Hohen Straße  befindet.  Doch als im April 1933 öffentliche Aufrufe zum Boykott jüdischer Geschäfte erfolgten, entschloss sich Ehepaar Weyl in die Niederlande nach Arnheim auszuwandern. Zu der Zeit lebten noch 500.000 Juden in Deutschland. Für sie sollte es noch schlimmer kommen: Im September 1935 erließ Hitler die sogenannten Nürnberger Gesetze, die die rechtliche Grundlage für die Verfolgung der Juden in Deutschland schufen. SA-Leute stellten sich vor von Juden geführten Geschäften mit Plakaten, worauf zu lesen war: „Die Juden sind unser Verderben!“ Der staatlich geförderte Antisemitismus gipfelte am 9. November 1938 in der Reichspogromnacht mit der Ermordung von rund 400 Menschen und Inhaftierung von 30.000 Juden in Konzentrationslagern sowie Zerstörung  von Synagogen und Eigentum.
„Pogrom ist ein russisches Wort und heißt Verwüstung mit Tod“, erklärt Eva Weyl und ihre Zuhörer sind mucksmäuschenstill, hängen an ihren Lippen.
Zu der Zeit war „Evchen“ ein Kind, wohl behütet von den Eltern. Als es hieß „Wir ziehen um“ freute sie sich auf eine neue Umgebung, auch ihre Eltern konnten sich nicht recht vorstellen, was sie in „Camp Westerbork“ erwarten würde. Dass Frauen und Männer dort unterschiedliche Quartiere beziehen mussten, schmerzte die kleine Familie, die es gewohnt war, alles zu Dritt gemeinsam zu machen. Doch Evchen konnte zur Schule gehen, fand Freunde. Wenn Erwachsene miteinander tuschelten, wurden Kinder weg geschickt. Es sprach sich rum, dass die Züge, die immer dienstags von Westerbork abfuhren zu Lagern in den Osten fuhren. Was dort genau geschah, ahnte zu der Zeit niemand.
Eva Weyl muss schlucken, bevor sie das Wort „Endlösung“ aussprechen kann. Bis heute kann sie diesen „schwärzesten Teil der deutschen Geschichte“ nicht fassen. Doch sie will die junge Generation daran erinnern: „Am 20. Januar 1942 haben 15 hohe Offiziere in der Wannsee-Villa in Berlin die Industrialisierung des Mordes genehmigt. Sie verurteilten elf  Millionen Juden zum Tod. Dies ist in später gefundenen Protokollen nachzulesen.“
In Viehwagen, jeweils mit 70 bis 80 Leuten zusammengepfercht, wurden jeden Dienstag rund 1.200 Juden abtransportiert. 1.000 mussten ankommen, 200 verstarben meist schon auf dem Weg nach Auschwitz. „Drei Mal standen auch unsere Namen auf der Liste, drei Mal sind wir dem Tod entronnen“, blickt Eva Weyl zurück auf glückliche Umstände, die die Mitnahme der kleinen Familie Weyl verhinderten. Am 12. April 1945 erlebte die Familie das Happy End mit der Befreiuung durch die Kanadier. Von den 107.000 Deportierten aus Westerbork überlebten leider nur 5.000, alle anderen wurden ermordet, wie insgesamt sechs Millonen Juden.
Eva Weyl appelliert: „Ich bin da, um euch zu warnen. Bitte erzählt die Geschichte weiter, damit so etwas nie wieder passiert!“
Ein Mädchen möchte wissen, ob Eva Weyl auch heute noch Vorurteile spürt, weil sie Jüdin ist. Sie sagt. „Ja man bleibt immer Jude und es hat schon immer Vorurteile gegen sie gegeben und sie werden immer bleiben.“ Und doch hegt sie keinen Groll, sie sieht Deutschland als sehr wichtiges Land, das sogar heute eine Vorbildfunktion in Europa habe, auch angesichts der Flüchtlingskrise. Ihre Aufgabe sieht Eva Weyl darin durch ihre Schilderungen über den Holocaust einen Beitrag gegen das Vergessen zu leisten.

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