KRANENBURG. Zum Beispiel Reimund. Mit e-i. Weiches Ei und Mund. Reimund ist Neurentner. Er könnte Zeit haben, wenn da nicht der Karneval wäre. Manche nennen den Reimund auch ‚Scheffe‘.
Das ‚manche‘ bezieht sich auf die Arbeitsbienen? Die Arbeitsbienen (AB) sind das Rückgrat des Kranenburger Sitzungskarnevals und sie gehören zur Karnevalsgesellschaft Krunekroane. Mitgliederzahl: Circa 400. Circa 10.000 Einwohner hat die Gemeinde. Das lässt sich rechnen: Jeder 25. Kranenburger ist Mitglied. Das kann sich sehen lassen. Zurück zu Reimund. Für ihn – und wahrscheinlich auch für die Restarbeitsbienen – lautet die Gleichung: Karneval = Gänsehaut. Sitzungskarneval in Kranenburg ist: Alles handgemacht. Keine Importe. Noch eine Zahl – reine Statistik, versteht sich: Jeder 333,333. Kranenburger ist Arbeitsbiene. Also: Es gibt 30 Arbeitsbienen im Stock. Die schmeißen die drei bunten Abende. Das die Abende „bunt“ genannt werden, hat auch mit den Gästen zu tun. „Viele kommen in Verkleidung“, sagt Reimund.
Heuer treffen die Gäste auf ein neues Bühnenbild. AB Reimund ist begeistert. Das Bühnenbild besteht aus „rund 30 Teilen“. Aber das geht genauer. AB Reimund schreibt mal kurz eine SMS an die Bühnenbauer („Das sind circa acht“). Kurz darauf ein „Ping“ aus dem Smartphone: „Die Bühne besteht aus 31 Teilen.“ Ein Geniestreich. „Das Bild hat der Dirk gemalt.“ „Der Dirk“ – das ist Dirk Willemsen. Wenn‘s was zu malen gibt im Wallfahrtsort, kann man beim Organisten nachfragen. Der Mann hat Humor. Und er weiß mit dem Stift umzugehen. Aber richtig! AB Reimund sagt: „Das Bühnenbild ist irgendwie ein bisschen nostalgisch.“ Zu sehen sind Kranenburger „Größen“. Die Kirchtürme beispielsweise. Aber: Die stehen streng karnevalistisch ein bisschen schräg. In Kranenburg sind sie gründlich. Anderswo kann eine Sache schon mal einen Haken haben. Hier gibt‘s gleich mehrere – fest ins ‚Malmauerwerk‘ integriert. Das Mauerwerk: Gemalte Illusion. Die Haken: Echt. „Da kann man dann mittels eingehängter Stangen ganz schnell umdekorieren.“ Aus der nostalgischen Stadtansicht wird also mirnichtsdirnichts (niederrheinisch: mirnixdirnix) ein beliebigfarbiger Hintergrund. „Eine Solche Umdekoration hat vorger länger gedauert. Da mussten wir dann besipielsweise farbige Tücher auf einer Art ‚Stativ‘ befestigen und das dann vor die Kulisse stellen“. Sagt AB Reimund.
Früher hatte der Himmel über Kranenburg Vereinsfarben. Rot und Gelb. Unterhalb des Zirkushimmels: Clowns und Artisten. Jetzt – wie gesagt: Stadtansichten. AB Reimund ist das, was man Spielleiter nennt. Alle Fäden laufen bei ihm zusammen. (Scheffe.) Offiziell macht AB Reimund den Spielleiterjob zum zweiten Mal. Sein Vorgänger: Klemens Hübbers, genannt ‚Plim‘. „Der Klemens hatte schon die Idee, dass man das Bühnenbild ändern sollte“, sagt Thomas Hermsen, seines Zeichens 1. Vorsitzender der Krunekroane.
Das neue Bühnenbild bietet auch bessere Beleuchtungsmöglichkeiten. AB Reimund: „Wir verfügen jetzt für die Bühne auch über Lichtbänder.“ Dazu: LED. Der Vorteil: Es wird nicht mehr so fürchterlich heiß, denn LED setzt keine Wärme frei.
Im vergangenen Jahr war AB Reimund nicht nur als Spielleiter im Einsatz. Der Mann stand auch noch höchstselbst auf der Bühne. Das wird er diesmal nicht mehr tun. Der „Job“ als Spielleiter ist anstrengend genug. Natürlich: AB Reimund hat ein großes und gut funktionierendes Team – lauter Spezialisten, aber einer muss halt sagen, wo‘s lang geht.
Drei bunte Abende gibt es. Zwei davon sind schon gelaufen. AB Reimund: „Alles, was bei uns auf der Bühne passiert, kommt auch von uns.“ (Stolz geschwellte Brust.) Ein Staatsgeheimnis bis zur ersten Sitzung: Die Überraschung für den Prinzen. „Unser Prinz kommt ja von der Aral-Tanktstelle. Seit Sommer haben seine Mitarbeiter an einer Showeinlage gearbeitet.“ Das Projekt mit der Sicherheitsstufe „extrem“ taucht auf dem Laufzettel nur unter dem Stichwort „Aralisten“ auf. AB Reimund: „Wir sind natürlich froh, dass der Daniel keine BP-Tankstelle betreibt. Dann hätten wir die Truppe ‚Die BPisten‘ nennen müssen.“ Merke: Dieses Wort wirkt nur ausgesprochen. Käme der Daniel von Shell, wären es immerhin noch die Shellisten gewesen. (Das klingt irgendwie musikalisch.) Der Auftritt der Aralisten: Ein Highlight? AB Reimund weiß natürlich, dass der ganze Abend ein einziges Highlight ist.
Trotzdem einer der Höhepunkte: Auftritt der Tanzgarden. Es gibt die Minis, die Teenies und die „Große Garde“ („Da musst du 18 sein“, erklärt der Vorsitzende und fügt nicht ohne Bewunderung an: Ab sechs Wochen vor der Proklamation üben die zwei Mal pro Woche und absolvieren dann zusammen mit dem Prinz weit über 100 Auftritte.“) Wartelisten gibt‘s nicht nur für die Tanzgardenplätze. „Wir haben drei bunte Abende und alle sind schon lange ausverkauft. Drei Mal 370 Gäste. Na bitte. Wer also Kranenburger Sitzungskarneval erleben möchte, muss ein bisschen Zeit mitbringen: 2017 könnte es mit Karten klappen. Das erinnert fast schon an den „Grünen Hügel“? Was das ist? Bayreuth. Da ist die Sache mit den Karten auch gern schon mal eine Elendswarterei. Und dann gibt‘s nicht mal was zu lachen.
Also vormerken: Die drei bunten Abende im kommenden Jahr. Gibt‘s schon Prinzenanwärter? Thomas Hermsen: Wir haben Prinzen bis zum Jahr 2021. Respekt. AB Reimund jedenfalls ist zufrieden. Mit alles. Helau.
Heiner Frost