Flüchtlinge sind keine Spielbälle

Bei der Absage des Orsoyer Rosenmontagszuges richteten Medien den Fokus auf Asylbewerber

ORSOY. In gemütlicher Runde saßen die Bewohner der Zentralen Unterbringungseinrichtung in Orsoy am Donnerstag letzter Woche vor dem Fernseher. Sie mussten sich anhören, dass der Orsoyer Rosenmontagszug abgesagt wurde aus Sorge, dass sich Vorfälle wie in der Silvesternacht in Köln auch in Orsoy wiederholen könnten. Markus Jansen, Leiter der Zentralen Unterbringungseinrichtungen in Orsoy und Stenden, ist fassunglos, bricht seinen Urlaub ab und kehrt schnell zu seinem Arbeitsplatz nach Rheinberg-Orsoy zurück.

Markus Jansen, Leiter der Zentralen Unterbringungseinrichtungen in Orsoy und Stenden, sieht sich in der Verantwortung, die Flüchtlinge, die hier leben, zu schützen. NN-Foto: L. Christian
Markus Jansen, Leiter der Zentralen Unterbringungseinrichtungen in Orsoy und Stenden, sieht sich in der Verantwortung, die Flüchtlinge, die hier leben, zu schützen.
NN-Foto: L. Christian

„Die Flüchtlinge sind verunsichert“, erklärt er auf Nachfrage und schimpft: „Bisher  sind die Vorfälle in Köln noch in der Ermittlungsphase, es gibt noch keine Verurteilungen. Wie kann man hier so pauschalieren. Ich verwehre mich dagegen, alle Flüchtlinge in eine Ecke zu stellen. Meine Aufgabe ist es, die Leute, die hier leben, zu schützen. Sie dürfen nicht zum Spielball der Medien werden!“
Die Polizei versichert ihm, dass keinesfalls der Standort der Flüchtlingsunterkunft Grund der Absage des närrischen Lindwurms sei, sondern das fehlende Sicherheitskonzept. Dieses hatte die Polizei aber eingefordert, weil bis zu 5.000 Besucher am Rosenmontag erwartet würden. Der Veranstalter, das 1. OKK Orsoy, hatte bisher nur Erfahrung mit seinem Tulpensonntagszug, der meist bis zu 2.500 Gäste anlockte und zu dem bisher nie ein entsprechendes Sicherheitskonzept verlangt wurde. Ihren Jubiläumsumzug (33 Jahre Karneval Orsoy) wollten sie montags starten lassen. Dazu hatten sie erst im November den Genehmigungsantrag gestellt. Als nun die Auflage erfolgte, ein präzises Sicherheitskonzept zu erstellen, das unter anderem auch die Verkehrssituation berücksichtigen müsse, zogen sie ihren Antrag zurück. Sie sahen sich nicht in der Lage, das Sicherheitskonzept in der Kürze der Zeit zu erstellen.
Die Meldung schlug ein wie eine Bombe und weckte riesiges Interesse bei Fernsehsendern und überregionalen Zeitungen. Markus Jansen berichtet: „Am vergangenen Wochenende wollten viele Medienvertreter auf unser Gelände eindringen, sich mit den Flüchtlingen unterhalten. Doch der Zaun steht nicht da, weil wir hier ein Gefängnis haben, sondern auch zum Schutz unserer Bewohner. Ich finde, auch für die geflüchteten Menschen muss gelten, dass ihre Würde unantastbar ist. Ich möchte nicht, dass sie unter Generalverdacht gestellt werden oder verantwortlich gemacht werden für die Absage des Umzuges.“ Die Sicherheitskräfte sorgten dafür, dass die Flüchtlinge in Orsoy unbehelligt blieben. Nach wie vor können sie sich natürlich frei bewegen – doch inzwischen gehen sie mit gemischten Gefühlen durch das Städtchen am Rhein.
Sie sind unsicher, ob die bisherige Willkommenskultur sich wandelt. Ein Lächeln, ein Hallo könnte helfen, positive Signale zu setzen. Stattdessen wird in den sozialen Netzwerken schon über die Bildung einer Bürgerwehr nachgedacht. Wie ungezwungen können sich die 200 Menschen aus Ländern wie Syrien, Afghanistan, Irak und Nordafrika (daher kommen nur 6 Prozent) in Orsoy aufhalten? Wie wird ihre Situation, wenn weitere 300 Flüchtlinge Anfang Februar ins ehemalige Marienhospital einziehen? „Wir Deutschen fremdeln etwas“, drückt Jansen die Kontaktscheue aus.
Bis Mittwoch hatte weder die Stadt Rheinberg noch das 1. OKK klärende Gespräche gesucht. Doch Jansen würde sich über eine Einladung der Flüchtlinge zur Karnevalsfeier freuen.

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