Ampel Dip

KRANENBURG/ELTEN. Von wegen Chlorhühnchen. Wie wär‘s mit Bierfasspute, Proseccowachtel oder Cola-Huhn mit Reis? Dazu vielleicht Rohkost mit Ampel-Dip oder Erdbeerknitsch. Geht‘s noch? Klar doch.
Kochen ist in – eigentlich fast schon zu in. Es wäre an der Zeit, das Geruchsfernsehen zu erfinden oder … ein paar Fahrstunden zu nehmen. [„Fahrstunden???“ ]Genau. Zum Beispiel bei Claudio Russo. Der Mann, dessen Namen gut genug klingt, in einem Star-Tenor-Ensemble an vorderer Front hohe Cs zu schmettern, ist KFZ-Sachverständiger, Kraftfahrzeugtechnikermeister, alleinerziehender Vater von drei Kindern, spricht fließend Deutsch, circa zwei Worte Italienisch  (Amore mio) und arbeitet als Fahrlehrer (Ampel-Dip). Wenn es im Auto ans Eingemachte geht, wenn er seinen Schülern die alles entscheidende Frage stellt, dann geht es ums Kochen.
Vorspeise

Claudio Russo hat einen italienischen Vater („Der ist wirklich echt!“) und eine deutsche Mutter. Die Eltern hatten in Elten ein Restaurant und klein Claudio (Claudio piccolo) trieb sich viel am Platz aller Plätze herum: In der Küche. Seine Mutter sammelte allerlei Rezepte und versah sie mit Kommentaren. Der Junge entwickelte ein entspanntes Verhältnis zu Küche und Essen.
Pocco a pocco – Stück für Stück also – verfiel Claudio dem Kochen – zunächst allerdings als Genießer. Sprich: Mama kocht, Sohnemann genießt.
Russo ist Jahrgang 1975. Mit dem Rezeptesammeln begann er 1999. Der Mann wurde Vater. Da kann es nicht schaden, sich am Herd auszukennen. Man weiß ja nie. Die Karriere als Alleinerziehender war damals noch nicht Teil der Lebensplanung, aber erstens kocht es woanders und zweitens als man denkt. Trotzdem: Claudio sammelte Rezepte. „Irgendwann war ich es leid, mit unglaublich vielen Büchern zu hantieren, in die dann Zettel eingelegt waren.“ Es begann: Das Sammeln. Zunächst, wurden, so gehört es sich für einen Mann mit italienischen Wurzeln, natürlich Mamas Rezepte gesammelt. Merke: Das weiß Mann, was Mann hat.
Hauptgang

-Anzeige-

Das Jahr 1999 wird als Geburtsjahr von Claudios Kochbuch in die Geschichte des Genießens eingehen. Wenn Claudio sagt „Das Kochbuch lebt“ meint er nicht, dass sich über die Jahre Mikroorganismen eingenistet haben – nein, Claudio meint, dass sein Kochbuch wächst. Es lebt nicht, es wächst. Wird dicker und dicker. Und dazu tragen nicht zuletzt die Schüler bei.
„Natürlich spricht man während der Fahrstunden auch schon mal persönliche Dinge an. Meine erste entscheidende Frage ist dann immer: Kannst du kochen?“ Das hängt vom Pass ab. „Wenn du eine Fahrschülerin aus Polen hast, kannst du sicher sein, dass sie kochen kann.“ Bei den Deutschen Mädels und Jungs sieht die Sache – anders als tausend Kochshows es vermuten lassen – meist eher bescheiden aus. Immerhin: „Mikrowelle können alle.“
International

Einer wie Claudio ist nicht nur Fahrlehrer, er missioniert auch und hat schon so manchen hinter den Herd gekriegt. „Wenn ich weiß, dass ich einen neuen Schüler bekomme – sagen wir aus Pakistan – dann schaue ich mir schon vorher im Internet an, was das so gekocht wird.“ Fahrschüler aus Pakistan? „Klar. Alles schon gehabt.“ Natürlich hat Claudio das was abgestaubt: Ein Biryani-Rezept. „Das ist ein Reisrezept. Hauptbestandteil ist Gewürzreis.“
Claudios Kochbuch ist international zu nennen. So international, dass es jetzt auch einen Gewürzteil gibt. „Es tauchen ja manchmal Gewürze auf, von denen ich bis dahin auch noch nichts gehört hatte.“ Erklärung tut noch. Wachstum auch, denn: Claudios Rezeptesammlung wächst und wächst. Längst sind mehr als 200 DIN-A-4-Seiten zusammengekommen, und „manches des Rezepte habe ich noch nicht gekocht“. Das ändert sich aber meist ziemlich schnell. „Sobald ich ein Rezept dann selbst ausprobiert habe, mache ich natürlich auch ein Foto. Fotos gehören einfach dazu. Ein Bild macht Appetit – sagt mehr als tausend Worte.“
Wer Claudio ein Rezept liefert, bekommt anschließend eine PDF-Datei geschickt. Längst gibt es einen „Fanclub“. Auch Fahrprüfer gehören zu den  „Konsumenten“. „Anfangs habe ich das Kochbuch ja nur an gute Bekannte weitergegeben.“ Jetzt multipliziert sich das Ganze allmählich – nicht zuletzt durch Claudios Schüler. Ja, er hat auch darüber nachgedacht, das Buch drucken zu lassen, „aber das würde, glaube ich, zu teuer werden“. Und wachsen könnte es ja dann auch nicht mehr.

Nachspeise

Und wie wäre es, wenn auch NNM-Leser Claudios Kochbuch möchten? „Das ist kein Problem. Einfach eine Email schreiben.“ Dazu gibt es noch eine bemerkenswerte Kleinigkeit. Es ist viel Arbeit in das Buch geflossen. Da soll es nicht „einfach so“ per Mail in die Welt. Claudio hat sich überlegt, dass jeder, der gerne eine PDF-Datei geschickt haben möchte, 3 Euro an die Welthungerhilfe überweisen soll. „Als mein Vater noch das Resturant in Elten hatte, hat er sich mal eine Glatze schneiden lassen und das Ganze vorher bei seinen Kunden, Freunden und Bekannten versteigert.
Am Ende konnte er mehr als 2065 D-Mark an die Hungerhilfe in Tansania überweisen.“ Ein Kochbuch für die Welthungerhilfe ist eine super Idee. Rezepte vom Salat bis zur Nachspeise gibt es reichlich.
Viele sind einfach nachzukochen. „Dieses Kochbuch ist eine Ansammlung von Rezepten für jeden Tag, feierliche Anlässe oder Grillfeste“, schreibt Claudio im Vorwort. Es enthält Rezepte aus Afghanistan, China, Deutschland, Griechenland, Italien, Pakistan, Polen, Spaniern, Ungarn,  und Vietnam. Und je nachdem, wer noch alles als Fahrschüler in Claudios Auto steigt, lässt sich die Liste erweitern. Merke: Das Kochbuch lebt. Pardon: Es wächst.
Und wann werden wir Claudio in einer Kochshow sehen? „Das werde ich ständig gefragt.“ [Warum nur?“!] Fest steht: „Kochshows sind nicht so mein Ding. Ich sehe mir das gern an, aber ich glaube, ich muss da nicht mitmachen. Da geht es ja auch häufig auch darum, das Ganze am Ende toll zu dekorieren. Das ist nicht so mein Ding.“ Aber wie sagte schon der alte Bond: „Never say never.“ Ein Fahrlehrer, der seinen Schülern die Kochfrage stellt – da kann es durchaus sein, dass man beim Fernsehen nicht anrufen muss. Dann melden die sich.

Nachgeschmack

Und was schreibt man drüber? Der Kollege aus der Redaktion schlägt vor: „Abgefahren kochen.“ Gibt es ein Rezept, dass Il Claudio empfiehlt. „Das Cola Hähnchen. Ich habe nicht geglaubt, dass das schmecken könnte, aber es ist unglaublich lecker.“ Wer‘s ausprobieren möchte, schreibt an „Russoclaudio@aol.com“. Ach ja: Claudio fährt für die Fahrschule Siegmund in Nütterden,
Vorgeschmack

Okay – eins gib‘s vorneweg. Rohkost mit Ampeldip.
Zutaten: 100 g Frischkäse, 150g Naturjoghurt, Jod Salz mit Fluorid, weißer Pfeffer, 1 TL Tomatenmark, 1 Prise Zucker, Paprika edel süß, 1 gelbe Paprika, 1 – 2 TL Curry, 1 Bund Petersilie, ½ Salatgurke, 3 Möhren Zubereitung:
Frischkäse mit Joghurt glatt rühren, mit Salz und Pfeffer würzen. Creme in drei Teile teilen. Einen Teil mit Tomatenmark verrühren und mit Zucker und Paprikapulver abschmecken. Paprika putzen, entkernen, ¼ ganz fein würfeln und mit Curry unter den zweiten Teil der Creme rühren. Petersilienblättchen abzupfen, ganz fein hacken und unter die übrige Creme rühren. Die Dips in drei Schälchen füllen.
Übrige Paprika in Streifen schneiden. Gurke waschen, eventuell schälen, längs in Streifen schneiden. Möhren schälen und in Streifen schneiden. Gemüse zu den Dips reichen. Fertig. Gute Fahrt. Heiner Frost

Vorheriger ArtikelAmpel Dip
Nächster ArtikelBryan Adams meldet sich mit neuem Album zurück