RHEINBERG. Die Bürgerinitiative gegen den geplanten AWO-Verwaltungsbau in der historischen Altstadt hat in Rheinberg eine Diskussion entfacht, zu der sich nun im Pressegespräch der Geschäftsführer des AWO-Kreisverbandes Bernd Scheid äußerte: „Ich kann nicht verstehen, warum die Politiker jetzt abtauchen, denn sie müssten jetzt Rede und Antwort stehen!”

Sieben wertvolle alte Bäume müssen weichen, wenn die AWO ihr Verwaltungsgebäude an der ehemaligen Montessori-Schule baut Foto: nno.de
Die AWO will  an der ehemaligen Montessori-Schule ihr Verwaltungsgebäude bauen.    Foto: nno.de

Zum besseren Verständnis skizziert er, wie es zu dem Vorhaben kam: „Bereits 2011 zogen wir nach Rheinberg und wurden hier mit offenen Armen empfangen. Von Anfang an stand fest, dass die neue Geschäftsstelle an der Bahnhofstraße zu klein ist, wir sind hier mit 31 Mitarbeitern, weitere neun Mitarbeiter sind weiterhin in Moers untergebracht. Es begann die Suche nach einem geeigneten Grundstück. Im Spätsommer 2013 brachte die Stadtverwaltung das Grundstück an der Kurfürstenstraße ins Spiel. Das Schulgebäude war von Anfang an keine Alternative für uns, da sie sich nicht als Verwaltungsgebäude eignet. Wir wollten einen Teil des Grundstücks bebauen, um dort eine Geschäftsstelle für alle 40 Mitarbeiter zu errichten sowie eine Seniorenbegegnungsstätte schaffen als Ersatz für das alte Haus an der Gelderstraße (das inzwischen nicht mehr als Begegnungsstätte zur Verfügung steht), zusätzlich eine Beratungsstelle für Paare und Familien, die bisher in der Reichelsiedlung untergebracht ist und unser Betreuungsverein soll auch dort angesiedelt werden, er ist bisher auch von der Gelderstraße aus tätig. Im zweiten Schritt – nach Aufgabe der Schule – soll auch diese Fläche erworben werden, um dort 20 bis 25 seniorengerechte Mietwohnungen zu errichten. Nach der Zustimmung aller Fraktionen brachte der Rat die Ausschreibung zur Bodendenkmal-Untersuchung auf den Weg. 2014 gab es eine öffentliche Ausschreibung zum Verkauf des Baugrundstückes, es gab mehrere Interessenten, doch nur die AWO gab ein Kaufangebot zum ortsüblichen Grundstückspreis ab mit einer Beschreibung und Bildern des Vorentwurfs.” Im März 2015 erhielt die AWO den Zuschlag. Für Scheid ein „ganz normales Verfahren”.

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„Gegen den erklärten Willen des Rates hätten wir nicht entschieden, hier zu bauen!”

Bernd Scheid, Geschäftsführer
AWO-Kreisverband

So war er mehr als überrascht, als er im September im Urlaub Presseberichte zur Bauausschusssitzung zugeschickt bekam, die den Eindruck vermittelten, der Bau sei nicht erwünscht. In einem Telefonat mit dem Bürgermeister bot er den Rücktritt vom Kaufvertrag an. Er stellte klar: „Gegen den erklärten Willen des Rates hätten wir nicht entschieden, hier zu bauen und den Kaufvertrag zu unterzeichnen.” Er zog in Erwägung, ein Angebot aus einer Nachbargemeinde anzunehmen.

Doch das wusste Bürgermeister Hans-Theo Mennicken zu verhindern. Er bemühte sich klarzustellen, dass es sich nur um ein Miss­verständnis handeln könne und versicherte, alle würden hinter den Plänen stehen. Gemeinsam mit Christa Kirchhoff, der zuständigen Referentin für Personal und Finanzen, nahm Scheid am 12. Oktober den Gesprächstermin im Rathaus wahr, an dem die Spitzen der Verwaltung und Fraktionen unisono bekräftigten, hinter dem Projekt zu stehen. Beim Notartermin am 19. Oktober wurde der Grundstückskauf mit Vertrag und Kaufoption des weiteren Grundstücks besiegelt.

Zurzeit sind Fachingenieure dabei, Pläne für ein funktionelles Gebäude zu erstellen – es existiert kein Bebauungsplan, daher gilt § 34 Baugesetzbuch – also großer Gestaltungsspielraum mit der Auflage, dass der Bau sich in der näheren Umgebung einfügen muss. „Kein Klassizismus, kein Disneyland” – so drückt Scheid das Vorhaben aus, eine Tiefgarage wird‘s nicht geben, eine Teilunterkellerung ist zur Archivierung von Akten erforderlich, die notwendigen Parkplätze sollen auf Dauer auf den Grundstücken angelegt werden – in der Übergangszeit pachtet die AWO von der Stadt die Parkplatzfläche an der Musikschule. Für die Bäume, die gefällt werden müssen, wird es Ersatzpflanzungen geben. Alle Details werden erst im Baugenehmigungsverfahren geklärt. Scheid hofft, dass der Bau des 3,4 Millionen Objekts im nächsten Jahr beginnen kann.

Er sieht die Stadtverwaltung in der Pflicht: „Die Stadt muss informieren!” fordert er – auch hinsichtlich eines Verkehrswegekonzeptes. Und noch einmal macht er seinem Ärger Luft: „Es ärgert mich, dass in der Öffentlichkeit mit Halbwahrheiten und Gerüchten gearbeitet wird.” Immerhin scheinen sich die Rheinberger Politiker zu bewegen. In der letzten Bauausschusssitzung am Dienstag letzter Woche versprachen sie eine gemeinsame Erklärung zu publizieren.

 

 

Initiative sammelt  weiter Unterschriften

Michaela Vervoort und Ralf Winstroth von der Bügerinititive „Rund um den Pulverturm” reagieren auf die Aussagen von AWO-Geschäftsführer Bernd Scheid. Sie fühlen sich bestärkt in ihrer Annahme, dass die Öffentlichkeit mit Absicht nicht früher über die Planungen an der ehemaligen Montessori-Schule aufgeklärt wurde.

Sie stützen ihre Vorwürfe mit dem Vergleich zu anderen Bau- und Investitionsvorhaben (wie Logistikflächen im Industriegebiet Ossenberg, Millingen, Bebauungsplanaufstellung Budberg, Einzelhandelkonzept, Veränderungssperre am Netto-Markt Rheinberg, Bebauungsplanentwicklung zwischen Frankenstraße und Westumgehung usw.), die monatelang, teils jahrelang in den Bau- und Planungsausschusssitzungen öffentlich erläutert wurden. Sie klagen an: „Im Stadtkern aber wird … im Hinterzimmer unter Ausschluss der Öffentlichkeit einem einzigen und seit Beginn allein eingeweihtem Interessenten ein rd. 4.000qm großes Schulgelände mitsamt Schulgebäude an einer der schönsten Stellen des Stadtgrabens … ohne Not überschrieben.” Über 600 Unterschriften hat die Initiative bereits gegen dieses Vorhaben gesammelt und bittet weitere Unterstützer, ihren Unwillen zu dokumentieren

 

 

 

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