Alternative: Verkneifen oder öffentliche Toilette benutzen

Café-Betreiber möchte barrierefreie Lösung, Xantens Verwaltung setzt andere Prioritäten, Rat entscheidet

XANTEN. „Warum sind Toiletten fast immer im Keller?”, fragen sich Gaststättenbesucher, die sich mit dem Treppensteigen schwer tun. Für Leute, die die Stufen nicht schaffen, hat das Stadtcafé in Xanten eine Antwort: „Nutzen Sie doch bitte die öffentliche Toilette auf dem Markt, dort können Sie sie mit dem Aufzug erreichen.”

as „Gehrecht“ besteht nur noch auf dem Papier, schon bisher bestuhlt das Café die Arkaden, stellen Besucher ihre Fahrräder unter, stellen Geschäftsleute ihre Ständer mit Schuhen und Kleidung auf, so dass für Bürger kein Durchgang ist. NN-Foto: Lorelies Christian
Das „Gehrecht“ besteht nur noch auf dem Papier, schon bisher bestuhlt das Café die Arkaden, stellen Besucher ihre Fahrräder unter, stellen Geschäftsleute ihre Ständer mit Schuhen und Kleidung auf, so dass für Bürger kein Durchgang ist. NN-Foto: Lorelies Christian

Das gut gemeinte Angebot stößt den über 80-jährigen Damen auf, die sich zum Kaffeekränzchen im Stadtcafé getroffen haben. „Wir haben extra hier im Erdgeschoss einen Tisch reserviert, weil wir auf Rollatoren angewiesen sind und die Treppen nicht erklimmen können und jetzt werden wir durch den Regen rausgeschickt, um die Toiletten nutzen zu können”, äußert sich eine der Damen entsetzt. Im Stadtcafe ist die Damentoilette im Obergeschoss und der Weg nach oben für etliche mobilitätseingeschränkte Gäste beschwerlich.

-Anzeige-

„Wir würden gerne Abhilfe schaffen”, äußert Eigentümer Rainer Terschluesen, der volles Verständnis für die Empörung hat, zumal die Stammgäste des Stadtcafés überwiegend Senioren sind. Er erklärt: „Seit fast zwei Jahren läuft nun unser Bauantrag bei der Stadt Xanten, wir wollen einen Fahrstuhl einbauen und oben den Sanitärbereich um Herren- und Behindertentoiletten erweitern. Dies ist technisch möglich, weil bereits ein Lastenaufzug vom Keller zum Obergeschoss führt – dieser könnte quasi umfunktioniert werden. Allerdings würden durch die Umbaumaßnahme 20 Sitzplätze oben wegfallen und daher möchten wir unseren Außenbereich besser nutzen können, indem wir den bisherigen Bereich unter den Arkaden verglasen. So entstünde eine Art Wintergarten, der bei Bedarf Schutz bietet oder bei gutem Wetter auch geöffnet werden kann.” (die NN berichteten bereits am 28. März)

Die Verwaltung der Stadt Xanten will die Zusage nur geben, wenn „eine stadtgestalterisch zufriedene Gesamtlösung gefunden werden kann”, das heißt, wenn auch die anderen Eigentümer die Arkaden vor ihren Häusern schließen (Marsstraße 6,8 und 10). Terschluesen kann diese Begründung nicht nachvollziehen, da nach seiner Meinung niemand zu dieser Maßnahme verpflichtet werden könne.

 

Luftkurort möchte mit Barrierefreiheit punkten

Tatsächlich ist die Frage: Der Luftkurort Xanten möchte punkten mit Barrierefreiheit. Zur Belebung der Innenstadt bietet nun ein Geschäftsmann an, 400.000 Euro zu investieren, um seine Räumlichkeiten attraktiver und barrierefrei zu gestalten und eine Behindertentoilette einzubauen. Die Stadtverwaltung bestätigt: „Aus heutiger städtebaulicher Sicht ist der Erhalt der Arkaden an diesem Standort nicht zwingend erforderlich.” Sie gewinnt den Arkaden jedoch „einen gewissen Charme” ab und besteht auf einer „hochwertigen Schließung des gesamten Ensembles”, um eine Änderung zu genehmigen.

Schaut man genau hin, fragt man sich, was sich denn durch Glaselemente im Außenbereich der Arkaden für den Nutzer ändern würde? Eigentlich nichts, bereits jetzt stehen Stühle und Tische des Cafés dort (allerdings pfeift der Wind dort gerne), Stadtbesucher nutzen den Überstand gerne als „Fahrradgarage”, andere Geschäftsleute haben im offenen Teil ihr Sortiment ausgebreitet.

Geht man rein von der Optik aus, ist Glas ja nun mal durchsichtig und so gesehen kann man diesen Baustoff nicht als störend empfinden. Die Bevormundung aller Hauseigentümer ist auch nicht wirklich nachvollziehbar, gilt doch Individualität in den neuen Baugebieten in der Beek und auch im Dombogen als höchstes Gut – denn dort kann man mitnichten von „Einheitlichkeit” sprechen.

Terschluesen: “Wir brauchen mehr Platz”

Rainer Terschluesen lehnt eine andere Alternative zum Einbau einer Behindertentoilette ab, da dadurch zu viel Gastraum verloren ginge und sein Vorschlag die baulichen Voraussetzungen optimal berücksichtigt. Da das Publikum des Traditionshauses aus überwiegend älteren Besuchern besteht, ist ihm der Einbau sehr wichtig. Er gibt zu bedenken: „Ich kann mit den beengten Platzverhältnissen im Erdgeschoss keine größeren Gruppen annehmen. Bei Anfragen winken Organisatoren von Seniorenausflügen ab, wenn sie hören, dass wir keinen Aufzug haben.” Ganz richtig ergänzt er, dass diese Besucher gleichzeitig Kunden der Innenstadt sind. Doch ohne Umbaugenehmigung will Terschluesen das Stadtcafé schließen – ein Nachmieter für ein Fast Food Restaurant ist sehr interessiert an der Innenstadtlage. Die bisherige Zielgruppe wird sich dann andere Lokale in der Region suchen.

CDU-Fraktion macht Vor-Ort-Termin vor der Entscheidung

Petra Strenk, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU Xanten, zeigt Verständnis für die Haltung der Verwaltung und verweist auf das öffentliche Gehrecht, das grundbuchlich gesichert worden ist beim Bau der Arkaden in den 70er Jahren. Für eine Änderung des Bebauungsplanes müsste dieses Gehrecht im Grundbuch gelöscht werden. Ob es dazu kommt, wird der Rat der Stadt Xanten am 29. September in seiner Sitzung entscheiden. Petra Strenk verspricht: „Unsere Fraktion hat einen Vor-Ort-Termin mit dem Architekten vereinbart, um uns ein eigenes Bild zu machen vor der endgültigen Entscheidung.”

Vorheriger ArtikelPraxisnah für die grüne Branche
Nächster ArtikelStraelener Häuser im Wandel