Betreutes Wohnen in Gastfamilien

Kerkenerin bietet Wohnmöglichkeiten für bis zu drei Personen

NIEDERRHEIN. Das Haus, in dem zwei Wohnungen leer stehen, hat eine lange Geschichte. Einst wohnte der Großvater von Annette Heenen dort und übte seinen Beruf als Arzt aus. Auch heute möchte Heenen, dass das Haus wieder für einen sozialen Zweck zur Verfügung steht. Deshalb bietet die Kerkenerin jetzt zwei Wohnungen im Rahmen des Projektes „Betreutes Wohnen in Gastfamilien” für zwei bis drei Menschen mit geistiger oder psychischer Behinderung an.

Das, was heute als Projekt der LVR-Klinik Bedburg-Hau läuft, gibt es im Prinzip schon sehr lange, wie Ottmar Hanschke, Psychologe und Mitarbeiter des Projektes erklärt: „Familienhilfe gibt es eigentlich schon, seitdem es Menschen gibt. Schon früher haben besser betuchte Menschen, Menschen mit Behinderungen aufgenommen.” Klar sei allerdings auch, dass es bei diesem Konzept nicht darum gehe, andere Menschen als kostengünstige Arbeitskräfte zu missbrauchen: „Natürlich dürfen die Klienten, wie wir sie nennen, mit im Haushalt helfen, aber sie sollen nicht ausgenutzt werden”, so Hanschke.

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Der Grundgedanke hinter diesem Konzept sei es, Menschen mit geistiger oder psychischer Beeinträchtigung so viel Normalität wie möglich zu geben: „In Heimen werden diese Menschen oftmals bevormundet”, erläutert Hanschke die Problematik. „In Gastfamilien können unsere Klienten eigenbestimmter leben und zusätzlich am Familienalltag teilhaben.” Gerade der zweite Aspekt sei bei Menschen mit psychischen Erkrankungen oftmals eine wichtige Stütze, wie auch Heenen aus ihrer Arbeit als Berufsbetreuerin fürs Vormundschaftsgericht weiß: „Ich habe eine Klientin, die schwer depressiv ist und nach einem Klinikaufenthalt hätte sie in ein Obdachlosenheim gemusst, weil sie nichts mehr hatte. Glücklicherweise konnte für sie aber eine Gastfamilie gefunden werden, bei der sie sich sehr wohl fühlt und sich gefangen hat”, so Heenen. Insbesondere das soziale Netz sei da hilfreich, wie auch Elke Börgers, Krankenschwester und Mitarbeiter des Projektes, bestätigt: „Wenn es den Leuten dann mal schlecht geht, fällt es auf, da sie nicht ganz alleine wohnen.”

Annette Heenen (links) freut sich gemeinsam mit Elke Börgers und Ottmar Hanschke über das neue Wohnangebot. NN-Foto: SD

Mittlerweile leben circa 3.000 Menschen in ganz Deutschland in Gastfamilien. Im Kreis Kleve sind es 70 Klienten, die in Gastfamilien untergebracht werden: „Bisher haben wir allerdings mehr Klienten und Gastfamilien im Südkreis”, berichtet Hanschke. Gerade deshalb freute sich der Mitarbeiter der LVR-Klinik Bedburg-Hau auch sehr über das Angebot von Annette Heenen. Die Kerkenerin hat die beiden Wohnungen im Haus der Großeltern bereits renovieren und mit Küchen ausstatten lassen. Zu Fuß sind die Wohnungen lediglich einige Gehminuten von ihrem eigenen Haus entfernt: „So bin ich nah dran, habe aber trotzdem meine Privatsphäre”, erklärt Heenen. In der Tat sei es egal, ob die Klienten mit in den eigenen vier Wänden leben oder in einer separaten Wohnung: „Es gibt selten Klienten, die abends mit auf der Couch sitzen wollen. Die Meisten haben eher das Bedürfnis nach einem eigenen Privatbereich”, so Hanschke. Mindestens müsse allerdings ein möbliertes Zimmer bei potenziellen Gastfamilien zur Verfügung stehen.

Wie lange dieses Gastverhältnis dann aufrecht erhalten werde, läge an jedem Gast und Familie individuell: „Es gibt ja keinen vertraglichen Druck”, erklärt Heenen und Börgers fügt hinzu, „für manche Klienten ist es ein Zwischenschritt, andere leben mittlerweile schon 20 Jahre in den Familien und sind mittlerweile ein richtiges Familienmitglied geworden.”

Als interessierte Gastfamilie müsse man natürlich schon eine soziale Ader haben, erklärt Hanschke. Ansonsten müssten aber keine Vorerfahrungen vorliegen. Unterstützt wird die Gastfamilie mit einer Aufwandsentschädigung von 990 Euro und der Hilfe von den Mitarbeitern der LVR-Klinik: „Wir erarbeiten mit dem Klienten vorher einen Hilfsplan, kommen aber natürlich auch bei akuten Problemen”, so Hanschke. Natürlich werde aber im Vorfeld auch genauestens geschaut, ob Klient und Gastfamilie zusammenpassen: „Jemand der suizidal ist, geht natürlich nicht in eine Familie”, berichtet Hanschke.

Heenen ist in jedem Fall schon gespannt, auf ihre zukünftigen Gäste. Die Wohnungen seien fertig und jetzt wartet die Kerkenerin nur noch auf Bewerbungen von Menschen mit geistiger oder psychischer Beeinträchtigung, die Teil ihrer Familie werden möchten.

Betreutes Wohnen
Annette Heenen bietet ab sofort zwei Wohnungen für zwei bis drei Personen in Nieukerk an. Interessierte Menschen könnten sich unter Telefon 0152/23514267 bei ihr melden. Weitere Informationen zu dem Projekt gibt es unter www.klinik-bedburg-hau.lvr.de

 

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