REES. Betuwe-Ausbau, Stromtrasse A-Nord, Kiesabgrabung „Reeser Welle II“: „Wir haben viele Projekte, die in Rees nicht auf große Begeisterung treffen“, sagt Bürgermeister Christoph Gerwers. Vor allem für die geplante Abgrabung im Südwesten von Esserden werden die Verwaltung und Gerwers selbst teils heftig kritisiert, etwa vom Verein „Eden Nieder­rhein“ und vom Nabu-Kreisverband (die NN berichteten). Im Interview mit NN-Redakteur Michael Bühs nimmt der Reeser Bürgermeister zu den Vorwürfen Stellung.

Herr Gerwers, Ihnen und der Verwaltung wird vor allem von „Eden“ vorgeworfen, Sie hätten bislang zu wenig gegen die Pläne zur „Reeser Welle II“ getan.
Christoph Gerwers: In der Zielsetzung sind wir uns alle einig: Die Stadt Rees lehnt die geplante Abgrabung „Reeser Welle II“ ab. Wir haben 2016 den entsprechenden Ratsbeschluss gefasst. Wir sind allerdings nicht die Genehmigungsbehörde, auch kein Verein oder eine Bürgerinitiative, sondern Träger öffentlicher Belange. Wir können Stellungnahmen im zuständigen Ausschuss und im Rat beraten und diese dann abgeben; darin gibt es auch keinen Dissens. Mehr als ablehnen können wir das Vorhaben aber auch nicht.

-Anzeige-

Weshalb dann die Kritik, zum Beispiel seitens „Eden“ und des Nabu?
Gerwers: „Eden“ will weitere Abgrabungen verhindern; das ist völlig legitim und in Ordnung. Als Stadt sind wir jedoch zu einer gewissen Fachlichkeit und Sachlichkeit verpflichtet – wir sind Träger öffentlicher Belange, nicht Schreier öffentlicher Belange.

„Eden“ wirft Ihnen in einem offenen Brief vor, die Pläne zur Abgrabung in der Öffentlichkeit als „Muss“ zu verkaufen, tatsächlich sei es jedoch nur ein „Kann“.
Gerwers: Der Gesetzestext zur Ordnung von Abgrabungen ist an dieser Stelle eindeutig. In Paragraph 3, Absatz 2, heißt es zur Genehmigungspflicht, dass die Genehmigung zu erteilen ist, wenn drei Bedingungen erfüllt sind – klingt das vielleicht nach einem „Kann“? Ein Abgrabungsplan liegt vor, Raumordnung und Landesplanung sehen in Esserden eine Abgrabung vor. Wenn nun, wie es im Gesetz heißt, „andere öffentliche Belange im Einzelfall nicht entgegenstehen“, wird die Abgrabung kommen – und wir können es nicht verhindern. Diese Entscheidung wird ja letztlich auf Landesebene getroffen.


95 Hektar groß ist der Bereich der als „Reeser Welle“ bezeichneten Auskiesung. Grafik: Eden e.V./Foto: tim-online.nrw
Ausschuss: Gutachten vom Kreis

In der Sitzung des Reeser Bauausschusses am Donnerstag­abend stand die „Welle“ ebenfalls auf der Tagesordnung. CDU und Grüne hatten Anträge bezüglich weiterer Gutachten gestellt. Der Ausschuss stimmte dem CDU-Antrag zu, demzufolge die Stadt den Kreis Kleve bitten soll, unter anderem ein unabhängiges hydrogeologisches Gutachten zu erstellen. Die Stadt Rees selbst soll, einem von fünf Anträgen der Grünen folgend, ein Gutachten bezüglich der Stadtfestigkeit von Wardtstraße und Spyckweg in Auftrag geben.


Können Sie denn den Unmut und die Bedenken der betroffenen Bürger verstehen?
Gerwers: Ich kann gut verstehen, dass die Esserdener und einzelne Eigentümer Sorgen und Ängste gerade wegen möglicher Hochwasser-Gefahren haben. Diese Sorgen ernst zu nehmen, ist auch sehr wichtig. Aber wir haben bei den neuen, überarbeiteten Planungen auch deutliche Verbesserungen erreicht: Es wird keine Verbindung zum Rhein geben; der Hochwasserschutz wird nicht angetastet; eine Deichschürze wird eingerichtet; es wird eine Brunnengalerie eingerichtet um festzustellen, wie die Hochwasserstände sind. Falls nun die Genehmigung kommt – wovon wir leider ausgehen müssen –, haben wir vor allem aus juristischen Gründen unsere Forderungen für diesen Fall bereits vorgetragen. Dies nicht zu tun, wäre auch im Sinne der Reeser Bürger fahrlässig gewesen. Denn unser Ziel muss es doch sein, die schädlichen Auswirkungen der Abgrabung zu minimieren.

[quote_box_left]Einwendungen
Einwendungen gegen das Vorhaben „Reeser Welle“ können schriftlich oder zur Niederschrift bis Dienstag, 6. Februar, im Reeser Rathaus und bei der Kreisverwaltung, Fachbereich Technik, Nassauer Allee 15-23, 47533 Kleve, unter Angabe des Aktenzeichens 6.1- 66 61 11 – 14/15 erhoben werden.[/quote_box_left]Wie ist die Stimmungslage in Esserden aus Ihrer Sicht?

Gerwers: Als ich beim Neujahrsempfang in Esserden von der Planfeststellung gesprochen haben, hatte ich nicht das Gefühl, dass es mir von den Bürgern übel genommen wurde. Übrigens: Ich kann auch nicht verstehen, dass „Eden“ es so auslegt, als hätte ich gesagt, dass Einwendungen keine Wirkung hätten. Im Gegenteil: Ich habe in Esserden auf die Offenlage und die Möglichkeit der Einwendungen hingewiesen und die Betroffenen aufgefordert, diese einzureichen. Es sind auch schon zahlreiche Schreiben bei uns und beim Kreis eingegangen.

„Eden“ kritisiert, dass die Stadt das hydrogeologische Gutachten nicht anzweifelt und eine unabhängige Prüfung in Auftrag gibt.
Gerwers: Das ist eine Erwartung, die „Eden“ an den Kreis Kleve richten muss. Wir als Stadt können das nicht leisten, wir sind keine Untere Wasserbehörde. Auch sprechen wir hier von Kosten für ein solches Gutachten im hohen fünfstelligen Bereich.

Stichwort Spyckweg: „Eden“ ist der Ansicht, die Stadt sollte ihn nicht verkaufen.
Gerwers: Das würde die Situation nur noch verschlechtern. Die Stadt besitzt lediglich eine 0,03 Hektar große Fläche am Spyckweg. Würden wir diese nicht hergeben, entstände ein zweiter kleiner Tümpel – und es würde die Abgrabung von insgesamt knapp 95 Hektar auch ganz sicher nicht verhindern. Denn die Kiesfirmen haben bereits klar signalisiert: Wir werden da abgraben, es ist für uns unternehmerisch enorm wichtig. Wir haben als Stadt immerhin erreicht, dass die Wardstraße bleibt, die ja auch einen zusätzlichen Hochwasserschutz darstellt.

Es klingt so, als wäre letzten Endes die „Reeser Welle II“ kaum mehr zu verhindern.
Gerwers: Die Abgrabung in Esserden hätten nur die Eigentümer verhindern können, die ihre Flächen schon vor Jahren veräußert haben.

Vorheriger ArtikelLive-Musik, DJ-Sounds,
Streetfood und mehr
Nächster Artikel„Demokratie ist ein zarter, dünner Lack“