„Sprechen statt klagen“ raten Schiedsleute den Streitenden

Die Ehrenamtler vermitteln, wenn zwei Parteien sich „beharken“

XANTEN. Wenn man mit „dem“ nicht sprechen kann – und die Gegenseite das von „dem anderen“ auch behauptet, dann handelt es sich häufig um einen Nachbarschaftsstreit, bei dem ein Schiedsmann / eine Schiedsfrau vermittelnd eingreift.

Schiedsleute in Xanten: der neue Stellvertreter Michael Kemkes (links), die scheidende Stellvertreterin Dagmar Thürmer und Schiedsmann Reiner Pulheim
NN-Foto: Lorelies Christian

Die Unfähigkeit miteinander zu sprechen lässt manchmal schon kleine Reibereien zu Riesenkonflikten hochschaukeln, die die Betroffenen nicht mehr alleine aus der Welt schaffen können – so die Beobachtung von Schiedsmann Reiner Pulheim, der bei Bedarf die vermittelnde Rolle in den letzten fünf Jahren in der Stadt Xanten übernommen hat und auch in den weiteren fünf Jahren übernimmt.
Bürgermeister Thomas Görtz lobt die ehrenamtliche Tätigkeit der Schiedsleute und bedankt sich bei Reiner Pulheim, seiner Stellvertreterin Dagmar Thürmer, die nun ausscheidet, und Michael Kemkes, der neu antritt als Stellvertreter von Reiner Pulheim. „Wir haben den Eindruck, dass die Menschen immer kritischer sind, in Konfrontation gehen und vielleicht auch streitsüchtiger sind als früher“, schildert der Bürgermeister die Sicht der Stadtverwaltung und betont: „Daher ist das Schiedsamt wichtiger denn je – auch um Gerichte zu entlasten.“
Rund zehn Fälle landen im Jahr vor dem Schiedsgericht, erklärt Pulheim. „Die Menschen wenden sich an mich, damit ich eine Einigung zwischen zwei Parteien herbeiführen kann. Ich höre mir den Sachverhalt aus Sicht des Antragstellers an, hinterfrage die Situation und lade dann die Gegenseite ein. In zusätzlichen 15 sogenannten ,Tür-und-Angel-Fällen‘ lässt sich bereits bei einer Vor-Ort-Begegnung mit allen Beteiligten eine Lösung des Konflikts finden. Ansonsten lade ich zum Schiedsgericht, das hier im Rathaus im Trauzimmer stattfindet. In 70 Prozent aller Fälle kommt es zum Vergleich, bei den anderen bescheinige ich, dass die Verhandlung fruchtlos verlaufen ist, und die Sache muss vor Gericht verhandelt werden. Mir steht nicht zu, ein Urteil zu fällen, ich kann nur vermitteln.“ In vielerlei Fällen (Nachbarschaftsstreitigkeiten) wird das Gericht erst gar nicht tätig, bevor die Kontrahenten sich beim Schiedsmann ausgesprochen haben.
Mit 25 bis 40 Euro Kostenaufwand ist das Schiedsverfahren für den Antragsteller deutlich kostengünstiger als die Anrufung des Gerichts. Und häufig – so die Erfahrung der Schiedleute – handelt es sich um Missverständnisse im zwischenmenschlichen Bereich und weniger darum, ob zum Beispiel das Hähnekrähen tatsächlich so sehr stört oder die Hecke des Nachbarn zu weit auf die Grundstücksgrenze gepflanzt ist. Das Aussprechen über die Empfindungen ist schon ein wesentlicher Punkt, um die Perspektive des anderen verstehen zu können und eventuell einzulenken.
Diese Erfahrung macht der „Neue im Amt“, Michael Kemkes, auch in seiner beruflichen Tätigkeit, wo er auch als zertifizierter Mediator tätig ist und immer wieder mit Streitigkeiten und Reklamationen zu tun hat, die er durch konstruktive Gesprächsführung aus dem Weg räumt.
Seine Vorgängerin Dagmar Thürmer gibt ihm mit auf den Weg: „Manchmal muss man auch mal Klartext sprechen und an den gesunden Menschenverstand appellieren – das hilft!“
Vom Bürgermeister gab‘s für die Ehrenamtler „Fair-Trade-Stofftaschen“ mit Nervennahrung in Form von Schokolade – ein sehr passendes Geschenk für Menschen, die sich mit Problemen anderer Leute auseinandersetzen.

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