Zeitzeich(n)en

Die Ausstellung „Plakate“ von Erhard Grüttner wird heute um 17 Uhr im PAN Kunstforum in Emmerich eröffnet.

EMMERICH. „Nathan der Weise“ – ein Sudoku. „Jedermann“ – ein Kreuzworträtsel in Form eines Totenschädels. „Jagd auf James A.“ – eine Zielscheibe mit dem Umriss eines Kopfes. „Viele seiner Plakate sind in ihrer Aussage reduziert. Manche erschließen sich dem Betrachter direkt, andere wiederum nicht“, sagt Christiane van Haaren, Kuratorin am PAN Kunstforum in Emmerich, über den Plakatkünstler Erhard Grüttner. Dessen Ausstellung „Plakate – eine Retrospektive zum 80. Geburtstag“ wird morgen eröffnet.

Echte Handarbeit: Kuratorin Christiane van Haaren bereitet die Plakate von Erhard Grüttner auf die Ausstellung vor. Das Rahmen von 117 Werken erfordert viel Zeit und Geduld. NN-Foto: MB
Echte Handarbeit: Kuratorin Christiane van Haaren bereitet die Plakate von Erhard Grüttner auf die Ausstellung vor. Das Rahmen von 117 Werken erfordert viel Zeit und Geduld.
NN-Foto: MB

Seit van Haaren und der PAN-Vorsitzende Reimund Sluyterman im Plakatmuseum tätig sind, „ist es unser Bestreben, die führenden Plakatkünstler in Emmerich auszustellen“, sagt die Kuratorin. Nach Niklaus Troxler, Uwe Loesch und Anette Lenz ist es nun die vierte Ausstellung eines großen Plakatkünstlers im PAN. Grüttner hatte vor zwei Jahren die Eröffnung der Troxler-Ausstellung besucht und dabei die Präsentation der Werke seines engen Freundes in Emmerich bewundert. „Er hatte daraufhin sofort angefragt, ob es selbst bei uns auch einmal ausstellen könne“, berichtet van Haaren. Zuvor hatte Grüttner schon 1996 in Emmerich, damals noch im Stadttheater, ausgestellt. Im Zuge der weiteren Überlegungen entstand die Idee einer Retrospektive zu seinem 80. Geburtstag. Was van Haaren besonders begeistert: „Erhard Grüttner hat bereits einen Katalog erstellt, in dem auch Wegbegleiter zu Wort kommen.“

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Grüttner wurde 1938 in Wohlau bei Breslau geboren. Nach einer Ausbildung zum Lithographen und einem Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig war er zunächst Mitarbeiter und Leiter eines grafischen Ateliers in Berlin. Ab 1969 war er freischaffend tätig, 1981 erhielt er den Kunstpreis der DDR und 1984 den Theodor-Fontane Preis. Von 1994 bis 2007 hatte eine Professur für das Lehrgebiet Grafik-Design an der Hochschule Anhalt/Dessau, seit 2007 ist er wieder freischaffend tätig – bis heute. „Er kann nicht ohne die Plakatkunst“, weiß van Haaren zu berichten.

In Emmerich zeigt Grüttner 117 Plakate. Mit vielen hat er Theaterstücke beworben, etwa Goethes „Faust“ und Shakespeares „Richard III“, aber auch Filme wie „Ich und Er“ von Doris Dörrie (1988). Ebenso widmet sich Grüttner mit seinen „Zeitzeichen“ politischen Themen, etwa den Anschlägen vom 11. September und Hartz IV. Sein bevorzugtes Stilmittel: Zeichnen – typisch für die Ausbildung in der ehemaligen DDR. „Das beherrscht er wirklich und war ihm immer sehr wichtig“, sagt van Haaren. Entsprechend sind die Plakate sehr zeichnerisch und bildhaft, nur wenige sind rein typografisch. Und hat auch bei Grüttners Plakaten die Fotografie Einzug gehalten, etwa bei Filmplakaten, so bleibt Zeichnen doch die Grundtechnik.

[quote_box_left]Eröffnung
Die Ausstellung „Plakate – eine Retrospektive zum 80. Geburtstag“ von Erhard Grüttner wird am heutigen Samstag um 17 Uhr im PAN Kunstforum, Agnetenstraße 2, in Emmerich eröffnet.
Kuratorin Christiane van Haaren spricht zur Eröffnung, Erhard Grüttner wird anwesend sein und interessierten Gästen seine Plakate erläutern.
Die Ausstellung ist bis 3. März 2018 im PAN zu sehen.[/quote_box_left]Apropos DDR: „Er sagt, dass er sich durch die Überwachung in der DDR nicht hat verbiegen lassen“, berichtet die PAN-Kuratorin über den in Blankenfelde bei Berlin lebenden Künstler; er sei direkt in seinen Aussagen. Seine Werke dürfen auch gerne mal provozieren, wenn beispielsweise das Plakat für „Der Zauberlehrling“ unzählige Atommüll-Fässer als Hintergrund aufweist. Grüttner selbst sagt über das Grafik-Design, es verlange „Klarheit und Eindeutigkeit“. Auf die heutige Ausbildung von Grafik-Designern ist er nicht gut zu sprechen, weiß van Haaren zu berichten: „Er selbst war gerne Professor, schimpft aber auf die heutigen Lehrkräfte. Sie achten nicht mehr auf die Gesamtheit, etwa dass die Schüler auch Zeichnen lernen.“ Er habe seinen Schülern stets zu vermitteln versucht, dass sie sich mit jeder Arbeit quasi neu erfinden müssen, mit einem leeren Blatt Papier beginnen. Doch es gibt ein generelles Problem: Die „hohe“ Plakatkunst durchlebe derzeit eine schwere Zeit, sagt van Haaren, „sie stirbt aus“. Plakatgestalter hätten nur noch im Theaterbereich eine echte Chance, in der Werbung seien sie nicht mehr gefragt. „Heute schaut doch keiner mehr auf eine Litfaßsäule, Werbung läuft zum Großteil über die Neuen Medien.“

Im PAN aber wird die Plakatkunst einmal mehr ins Rampenlicht gerückt. Mit seinen Plakaten bildet Grüttner seine ganze Vielseitigkeit ab: „Expressiv und dramatisch“, mit äußerstem Wagemut und äußerster Disziplin“, so beschreibt sie der Grafiker Heinz Handschick und spricht von „beunruhigenden, faszinierenden, aggressiven, energischen Zeichen, Resten, Fetzen“. Sein Fazit zum „Endprodukt“: „Woraus es im Detail besteht, bleibt unergründlich. Aber man sieht es sofort, es ist überzeugend, es ist professionell.“ Oder, wie es Christiane van Haaren umschreibt: „Es bringt alles auf den Punkt.“

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