Das ganz große Kino

KRANENBURG. Horst Hahn sammelt: Kunst und Fotografie. Das könnte falsch verstanden werden, denn natürlich ist auch Fotografie eine Kunstform.
Horst und Barbara Hahn besitzen mehr als 1.200 Fotografien. Mancher wird denken: Ja und? Das mache ich mit meinem Smartphone in einer Urlaubswoche: Essen fotografieren hier – Selfie vor (prächtigem) Panorama dort. Was Horst und Barbara Hahn zusammengetragen haben,  ist – man kann das behaupten – von anderer Qualität und wer sich davon überzeugen möchte, kann das ab morgen, Sonntag, 15. Oktober und danach bis zum 25. Februar tun. Rund 180 Fotografien aus der Sammlung Barbara und Horst Hahn sind dann im Museum Katharinenhof Kranenburg zu sehen. Ikonen der Fotografie sind ebenso zu sehen wie Werke von unbekannteren Künstlern.
Es geht um alles: Menschenbilder sind zu sehen, aber auch Bilder aus einem zertrümmerten Deutschland, Künstlerportraits, Stillleben … – alle vereint durch jenen magischen Blick, der es schafft, einen Augenblick festzuhalten und zur künstlerischen Ewigkeit werden zu lassen. Fotografie ist immer auch eine Dokumentation der Tatsache, dass da jemand etwas sieht, an dem viele von uns achtlos vorübergehen würden. Fotografie ist die Suche nach dem Moment, in dem alles zusammenkommt und viele der Fotos in der Ausstellung sind nicht gestellt – sind keine filmgleichen Inszenierungen anderer  Wirklichkeiten. Fotografie wird nicht zuletzt deshalb häufig unterschätzt, weil sie ja das vermeintlich Alltägliche abzubilden in der Lage ist und weil ob ihrer heutigen Verbreitung jeder von uns sich als Fotograf fühlen kann, wenn er nur einen schönen Sonnenuntergang bildlich festzuhalten in der Lage ist und ihn womöglich anschließend in beeindruckendem Format auf Leinwand druckt oder dekorativ  hinter Glas rahmen lässt. Die Kranenburger Ausstellung zeigt eindrucksvoll, dass es damit nicht getan ist. Sie zeigt, dass Fotografie sehr wohl eine Kunstform ist, die neben der Malerei zu bestehen in der Lage ist – so, wie es sich auch bei der Beziehung von Theater und Film(kunst) darstellt. Man kann sich kaum satt sehen an dem opulenten Menu, das Horst Hahn für die Wände des Katharinenhofs zusammengestellt hat. Kaum eine Kunstform ist zugleich immer auch Dokumentation ihrer eigenen (verglichen mit der Malerei sehr kurzen) Geschichte. So, wie die Welt sich verändert, hat sich der Blick darauf verändert. Und was in der abstrakten und informellen Malerei stark chiffriert daher kommt, liegt bei der entwickelten Wirklichkeit mehr oder weniger offen zutage. Die Welt ist seit den Gründertagen der Fotografie eine radikal andere geworden und die Fotografen haben das dokumentiert. Schon ein Blick auf Menschenbilder ist in der Lage, all das zu fotografieren und damit zu dokumentieren.
Man möchte so gern alles sehen, was diese Sammlung zu bieten hat. Man wünschte sich einen Katalog und bekommt beides nicht. Und wer weiß – vielleicht ist es gut, keinen Katalog zu haben. Vielleicht ist es besser, immer wieder hinzugehen und sich mit den Fotos zu unterhalten.
„Früher“, sagt Horst Hahn und spricht von den frühen Jahren des Fotografierens, „früher waren Fotos ja auch Souvenirs, die man von Reisen mitbrachte.“ Allerdings fotografierten die Reisenden nicht selbst – es gab Menschen, die davon lebten, Fotografien herzustellen. Die Zeiten haben sich geändert. Wir sind, glauben wir, ein Volk von Fotografen. Das Digitale stellt Unendlichkeit zur Verfügung. Ob einer nun zwei Mal auslöst oder 200 Mal – es macht kaum einen Unterschied. Man braucht nichts als das bisschen Speicherplatz.
Die Ausstellung im Katharinenhof wirkt sich geschmacksverstärkend aus. Sie zeigt nicht die Kopien – sie zeigt das Ursprüngliche und holt die Erkenntnis zurück, dass wir nicht alle Fotografen sind. Diagnose: Ganz großes Kino.
Als Zugabe zur Ausstellung sind Kameras aus 100 Jahren Fotografiegeschichte zu sehen. Es geht dabei allerdings nicht so sehr um das Innenleben und die Optik – es geht um das Design. Es geht um die „Muttermodelle“, an denen sich noch heute vieles orientiert. So ist im Katharinenhof das perfekte Großeganze entstanden, bei dem eins ins andere greift. Eröffnet wird die Ausstellung am Sonntag, 15. Oktober, um 11 Uhr. Es spricht: Jens Peter Koerver aus Köln. Zu sehen ist die Schau bis zum 25. Februar und man wünscht von Herzen viele Besucher.Heiner Frost

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