Turmschätzchen: Ende gut, alles gut

KLEVERLAND. Der Besitzer des Zettels mit der Nummer Einsnullfünfsieben hat ein gutes Gefühl. Der Zettel mit der Nummer Einsnullfünfsieben ist ein Los und verheißt im Idealfall einen Gewinn – einen von 65 möglichen Gewinnen bei einer maximalen Zettelzahl von 2.000. Mathematiker würden von einer achtbaren Chance sprechen. Natürlich würden Mathematiker nicht das Wort „achtbar“ verwenden. Es gibt Zahlen.
Aber nicht immer spielt der Gewinn die Hauptrolle. Der Besitzer des Zettels mit der Nummer Einsnullfünfsieben ist einer von denen, die noch nie etwas gewonnen haben. Das stimmt nicht ganz. Schon mit dem Erwerb des Loses hat der Besitzer sich ein gutes Gefühl erworben. Fünf Euro hat es gekostet. Fest steht: Es geht um Nachhaltigkeit. Eigentlich ein abgenutztes Wort, das nach millionenfachem Gebrauch nur seine Hülle zurückgelassen hat. Der Besitzer des Loses mit der ausreichend genannten Nummer sorgt – zusammen mit hoffentlich 1.999 anderen Zettelbesitzern dafür, dass Menschen, deren Erstbestreben sich auf den Lebenserhalt bezieht, die also – wie soll man sagen – von der Hand in den Mund leben, mit energiesparenden Haushaltsgeräten oder Leuchtmitteln versorgt werden. Der Besitzer des Glückszettels hält das für eine gute Idee. Es ist – so viel Zeit muss sein – nicht seine Idee. Sie stammt von anderen. Die „anderen“ haben auf den Zettel geschrieben: „Benefizaktion 775 Jahre Kleve – 125 Aussichtsturm“. Sie haben auch geschrieben: Auslosung der Gewinne am 9. Juli ab 15 Uhr im Rahmen des Festes „125 Jahre Aussichtsturm“. Und „Viel Glück“ haben sie geschrieben. Fünf Euro kostet das Los. Jaja – und wieviel bleibt am Ende für Benefiz? Die Erfinder antworten eindeutig: „Einhundert Prozent“, sagen sie. Und wer bezahlt den Druck der Lose und was sonst noch anfällt im Lotterievorfeld? Dafür, sagen die Lotterieinitiatoren, haben sich Sponsoren gefunden. Und nicht nur das, sagen sie: Im Glücksboot rudern die Kreishandwerkerschaft, die Elektroinnung Kleve, der Einzelhandelsverband Kleve und die Stadtwerke Kleve. Was beim Zettelverkauf reinkommt, wird von den oben Genannten nochmal um zehn Prozent aufgestockt. Das lässt sich hören. Verteilt wird, was man einspielt, am Ende an die Klever Klosterpforte, die Arche in Goch und das Café Konkret in Uedem. Ziemlich gute Idee, denkt der Besitzer des Zettels mit der Nummer Einsnullfünfsieben, aber die Lotterieerfinder sind noch nicht zufrieden. Es fehlt an Menschen, die sich auf die Lose stürzen. „Das“, sagt der Glückslosbesitzer, „ließe sich ja vielleicht ändern. Vielleicht gibt es da noch andere, denen ein gutes Gefühl fünf Euro wert ist.“ Es muss sie geben.
Gewinne gibt‘s auch. Nichts, was es im Laden zu kaufen gäbe. Unikate sind am Start – zur Verfügung gestellt von Persönlichkeiten aus Kunst, Politik, Sport, Kultur, „darunter auch Paare und Vereine, die dem Kleverland verbunden sind“, heißt es auf der Website. Apropos: Unter http://www.aussichtsturm-kleve.de/2017/03/31/benefizaktion-turmschaetzchen/ lässt sich in Augenschein nehmen, wer sich da von was getrennt hat. Am Ende kann es sich niemand aussuchen. Der Besitzer des Zettels mit der Nummer Einsnullfünfsieben hat es gar nicht auf‘s Abräumen abgesehen. Natürlich – gegen das Gewinnen lässt sich nichts einwänden, aber das gute Gefühl gibt‘s ja beim Kauf der Zettel.
Der Run auf die Restzettel kann also beginnen und am allerbesten wär‘s, wenn am Schluss alle weg wären. (In Kleve sind folgende Anlaufstellen zu nennen: Bioladen, Buchhandlung Hintzen, Einrichtungshaus Rexing, Kulturbüro Niederrhein, Restauration zum Aussichtsturm. In Goch: Buchhandlung am Markt, Kreishandwerkerschaft.)
Die Initiatoren Bettina Paust, Buchhandlung Hintzen, Susanne Rexing, Mechtild Janßen und Reinhard Berens sind bei verschiedenen Veranstaltungen mit Losen unterwegs und warten auf Investoren. Wer keinen Preis gewinnt, hat ja quasi quittungslos der Zukunft gespendet, und genau da liegt der Wert der „Turmschätzchenaktion“. Der Besitzer des Glückszettels mit der Nummer Einsnullfünfsieben hat sein Los verschenkt – natürlich an die Frau seines Herzens. Wann gewinnen schon mal alle mit einem Zettel?

Heiner Frost

-Anzeige-
Vorheriger ArtikelWenn der Alkohol das ganze Leben zerstört
Nächster ArtikelMarias Leben ist so besonders,
weil es so alltäglich war