„Wir sind alle
mit viel Herzblut dabei“

Der Klever Verein Betreutes Wohnen für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung wird sich ab Herbst breiter aufstellen

KLEVE. Leben wie ich will. Das ist einer der Leitsprüche des Klever Vereins BetreuWo, der aktuell 65 Menschen mit Handicap betreut. „Den Begriff Klienten mag ich nicht so – Patienten eigentlich auch nicht – Kunden oder Bewohner sagen wir meist“, sagt Fabienne Teichner, Pädagogische Leitung des 2005 aus einer Elterninitiative heraus gegründeten Vereins, der in Langform „Betreutes Wohnen für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung“ heißt. Der Verein bietet ambulante Unterstützung von der Einkaufsplanung bis zum 24-Stunden-Hintergrund-Dienst, „individuell auf den Bedarf zugeschnitten“, erklärt Teichner. Im Herbst soll das Angebot voraussichtlich um Pflegeleistungen erweitert werden.

Das Klever Team von BetreuWo freut sich auf die neuen Herausforderungen. Fabienne Teichner (2.v.l.) obliegt die Pädagogische Leitung – sie erzählt, was geplant ist und wie man den mit dem Bundesteilhabegesetz geänderten Rahmenbedingungen begegnen wird. NN-Foto: Rüdiger Dehnen
Das Klever Team von BetreuWo freut sich auf die neuen Herausforderungen. Fabienne Teichner (2.v.l.) obliegt die Pädagogische Leitung – sie erzählt, was geplant ist und wie man den mit dem Bundesteilhabegesetz geänderten Rahmenbedingungen begegnen wird. NN-Foto: Rüdiger Dehnen

Den Vereins-Charakter möchte man aber beibehalten – auch, wenn die Mitarbeiterzahl von heute 71 Fach- und Ergänzungskräften wohl deutlich zulegen wird. „Wir sind alle mit viel Herzblut dabei“, sagt Fabienne Teichner. Es gibt eine aus Mitarbeitern und Bewohnern bestehende Laufgruppe und jeder kennt jeden. Ein familiärer Charakter mit flachen Hierarchien, der das Arbeiten erleichtert. Was Teichner und ihre Kollegen besonders motiviert, ist der immer wieder sichtbare Erfolg. „Es ist einfach schön zu sehen, wenn die jungen Leute einen neuen Lebensabschnitt beginnen und dabei über sich hinauswachsen“, sagt sie. Und das sei nicht nur bei Menschen mit angeborener Behinderung so. Teichner: „Wir betreuen auch viele Menschen, die zum Beispiel nach einem Unfall behindert sind und ihr Leben ganz neu organisieren müssen. Für sie ist es sehr wichtig, dass sie trotzdem ihren eigenen Weg gehen können.“

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Dabei ist das Angebot an Hilfestellungen breit gefächert und reicht von stundenweiser Unterstützung bei Behördengängen oder Arztbesuchen, Krisengesprächen oder gemeinsamem Kochen über Hausgemeinschaften mit separaten Appartements bis zum 24-Stunden-Wohnprojekt, bei dem zwar jeder seine eigene Wohnung hat, es aber trotzdem einen Gemeinschaftsbereich gibt, der rund um die Uhr mit einem Mitarbeiter besetzt ist. So ist immer jemand vor Ort, wenn es Probleme gibt. Teichner: „Diese Wohnform eignet sich für Menschen, die einen hohen Unterstützungsbedarf haben, aber trotzdem weitestgehend unabhängig bleiben möchten.“ Es sei nicht mit einer stationären Einrichtung vergleichbar, in der der Tagesablauf streng getaktet ist. „Wer engere Strukturen benötigt, ist da aber natürlich besser aufgehoben“, stellt Teichner klar, dass das Wohl des Einzelnen im Mittelpunkt stehen sollte und man bei BetreuWo auch gern auf Organisationen und Einrichtungen verweist, die für den Hilfesuchenden besser geeignet sind. „Das ergibt sich meist schon beim ersten Beratungsgespräch“, weiß die Sozialwissenschaftlerin, die schon bei der Sonsbecker Initiative Integratives Leben und dem Deutschen Roten Kreuz gearbeitet hat und über die Betreuungsmöglichkeiten am Niederrhein bestens Bescheid weiß.

[quote_box_left]Kontakt
BetreuWo e.V.
Treppkesweg 44
47533 Kleve
Telefon 02821/ 711620
www.betreuwo.de[/quote_box_left]Häufig seien es die Eltern oder Angehörige, die Kontakt aufnehmen. Teichner: „Sie möchten dafür sorgen, dass die Selbstständigkeit ihrer Kinder langfristig gesichert ist.“ Wenn alles passt, wird gemeinsam eine Hilfeplanung erstellt. Und wenn die Hilfe irgendwann nicht mehr benötigt wird, freuen sich alle Beteiligten gleichermaßen. „Wir verstehen uns als Dienstleister und freuen uns natürlich, wenn irgendwann der Punkt erreicht ist, wo es auch alleine geht“, sagt Teichner. Weil man aber auch mit der Zeit gehen und sich auf geänderte Rahmenbedingungen einstellen muss, wird BetreuWo im Herbst ein neues Kapitel aufmachen. Denn mit dem Bundesteilhabegesetz wandern viele Leistungen aus der Eingliederungshilfe in die Pflegeversicherung ab und der Verein möchte sich breiter aufstellen. Geboten wird dann quasi ein Rundum-Service – alles aus einer Hand. „Das ist aber natürlich nicht verpflichtend“, betont Teichner, dass auch hierder Konkurrenzgedanke keine Rolle spielen soll.

Und noch etwas wird momentan in Angriff genommen. „Wir planen für das kommende Jahr ein weiteres 24-Stunden-Wohnprojekt“, verrät Teichner. Konkretes gibt es noch nicht – man kann sich aber schon bewerben. Schließlich ist man mit dem Pilotprojekt im ehemaligen Schweizerhaus an der Materborner Allee mehr als zufrieden. Am heutigen Samstag wird zum „Einjährigen“ mit allen Bewohnern, Mitarbeitern und Kooperationspartnern ein großes Frühlingsfest gefeiert.

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