Eine Prothese
für „Söckchen“

Lars Thalmann aus Xanten konstruiert für den 3D-Drucker aus Kunststoff Ersatz von fehlenden Körperteilen für Kinder und Vögel

XANTEN. Der Maschinenbautechniker Lars Thalmann aus Xanten sorgt für internationale Schlagzeilen.  Sogar in der Washington Post war zu lesen, dass der 36-Jährige als erster  Konstrukteur am 3D-Drucker Prothesen aus Kunststoff für Vögel anfertigt.  Thalmann arbeitet ehrenamtlich für die  „e-Nable-Organisation“ (enable heißt zu deutsch ermöglichen). Es gibt sie  in den USA seit 2014, und sie hat seither 2.000 Hände aus Kunststoff für Kinder  angefertigt und ihnen als Ersatz für fehlende Gliedmaße  geschenkt.

Die Produktion erfolgt aus Polylactit (Kunststoff aus Milchsäure, der auch in der Medizintechnik eingesetzt wird)  mithilfe eines 3D-Druckers in inidividueller Maßanfertigung. „Diese sollen die medizinischen Prothesen nicht ersetzen, sondern einfach weitere Möglichkeiten für die Kinder bieten. Mit den Händen möchten wir Kindern die Möglichkeit geben, ihre Krankheit als Besonderheit zu empfinden und nicht als Behinderung.“, erläutert Lars Thalmann das Prinzip der non-profit-Organisation. Er ist so begeistert von der Technik und den Hilfsmöglichkeiten, dass er  mit zwei weiteren Freunden, Bernice Walter und Jan Hengst,  das Projekt auch nach Deutschland holte und einen  gemeinnützigen Verein gründete (Infos unter enable-germany.de).
Befragt man Lars Thalmann nach seinen Beweggründen, sprudelt es nur so aus ihm heraus: „Als ich durch Zufall auf die Internetseite von enable stieß, war ich sofort begeistert. Sofort war mir klar, ich habe schon so viel Geld für Unnützes ausgegeben, hier kann ich mal investieren und was Gutes tun. Meine erste Prothese habe ich für die kleine Loise aus Frankreich angefertigt. Unserer Organisation ist dabei der persönliche Kontakt ganz wichtig. Zunächst nimmt man Maß, das Kind darf die Farbauswahl treffen. Das ist auch ganz wichtig. Ein amerikanisches Kind hat mal gesagt ,In der Schule war ich immer das Kind mit der witzigen Hand, jetzt habe ich eine Spiderman-Hand (rot mit blau) und habe ganz viele neue Freunde gewonnen.“ Der 3D-Drucker steht bei Lars im Wohnzimmer, den Maßen entsprechend mit passender Skalierung verarbeitet er den Kunststoff in Schichten  (wie beim MRT) zum fertigen Basisteil, das Lars dann noch rund biegt, so dass die Prothese die Handform erlangt, die „Ersatzfinger“ werden mit Nylonschnüren so verbunden, dass sie einzeln zu bewegen sind.

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Loise mit ihrer neuen das Erstlingswerk von Lars Thalmann Foto: nno.de
Loise mit ihrer neuen das Erstlingswerk von Lars Thalmann
Foto: nno.de

Die fertige „Phoenix Hand in der  French Edition im schönen Creme Ton“  überbringt Lars persönlich. Loise reagiert nicht überschwänglich, eher skeptisch, nachdem der Xantner ihr die Prothese mit Neopren-Klettverschlüssen angebracht hat. Sie verschwindet in ihr Zimmer, kommt nicht wieder. Neugierig folgen ihr die Eltern und Lars. Da sitzt das Mädchen vor dem Käfig ihrer zahmen Ratte. Erstmals konnte sie mit einer Hand die Ratte herausnehmen und mit der anderen streicheln. Sie strahlt übers ganze Gesicht. Und auch die Eltern können es nicht fassen: Ganz kostenlos erhält ihr Kind eine Prothese, mit der es greifen kann und unbedenklich auch draußen spielen kann. Sie fassen kaum ihr Glück und auch Lasse weiß, dass er die richtige Entscheidung getroffen hat.

Das war Ende 2016  – als dann  im Januar 2017 die Anfrage des Weltvogelparks Walsrode kam, stellte sich eine ganz neue Herausforderung für Lars Thalmann.  „Söckchen“ – ein 120 Zentimeter großes Sekretär-Weibchen – hatte sich das linke Bein gebrochen, der Unterschenkel musste amputiert  werden. Nun sollte der Xantener eine Prothese für Söckchen bauen.

Tierpfleger German Alonso schaut sich die von Lars Thalmann (r.) konsturierte Prothese für „Söckchen“ an. Foto: nno.de
Tierpfleger German Alonso schaut sich die von Lars Thalmann (r.) konsturierte Prothese für „Söckchen“ an.
Foto: nno.de

„Ich bin hingefahren und habe mir gemeinsam mit den Tierpflegern den Laufvogel angeschaut. Er konnte nur noch humpeln, schließlich fehlten ihm ja gut acht Zentimeter am Bein.    Wir haben beraten und Maß genommen.“  Zuhause entwickelte Lars in mehr als zehn Stunden ein Design für die Prothese,  schließlich war es ja die erste dieser Art, die für einen Vogel angefertigt werden sollte.  Seine erste Anfertigung  war mit Krallen konstruiert, sie wog 280 Gramm. „Man muss wissen der rund 5 Kilo schwere Vogel tritt mit einer Wucht von 25 Kilo zu, um Beute zu machen. Da machte sich das Gewicht der Prothese unangenehm bemerkbar und ich baute eine neue ,Sportprothese‘ ohne Metall, ohne Fuß  und mit verbreitertem Einsatz fürs Gelenk, die ist jetzt perfekt. Söckchen hat sie gut angenommen und braucht nun nicht mehr humpeln.“
Da der Materialwert dieser Prothesen sehr billig ist (rund 25 Euro) und die sogenannten „Builder“  wie Lars und seine beiden Freunde aus Essen kostenlos arbeiten, ist dieser Ersatz bei fehlenden Gliedmaßen für Kinder und Tiere eine wunderbare Sache, auch wenn er natürlich nicht mit einer medizinischen Prothese zu vergleichen ist.
Mit dem Design der Fußprothese ist Lars Thalmann zum Medienstar geworden.

„Söckchen“ mit ihrer ersten Prothese, inzwischen hat sie eine neue, die nicht so viel wiegt wie die erste Konstruktion. Foto: nno.de
„Söckchen“ mit ihrer ersten Prothese, inzwischen hat sie eine neue, die nicht so viel wiegt wie die erste Konstruktion.
Foto: nno.de
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