Schicksale der Zwangsarbeiter
und der Kriegsgefangenen

In seinem Buch begibt sich Rüdiger Gollnick auf Spurensuche am Niederrhein

RHEINBERG. Als Rüdiger Gollnick und seine Frau Monika vor einigen Jahren auf dem Friedhof von Haus Aspel in Rees Gräber von Menschen mit polnischen, russischen und italienischen Namen entdeckten, darunter auch Kinder, die im Jahr 1945 gestorben waren, fragten sie sich, wieso diese Menschen dort begraben wurden und woher sie kamen. Das Ehepaar begab sich auf Spurensuche und beschäftigte sich immer intensiver mit der Thematik. Das Ergebnis ihrer Nachforschungen ist ein Buch, das sie nun im Stadtarchiv Rheinberg vorstellten.

Rüdiger und Monika Gollnick, Verleger Franz Engelen und Stadtarchivarin Sabine Sweetsir (v.l.) mit Fotos aus dem Besitz des Stadtarchivs, von denen einige auch im Buch abgedruckt sind. NN-Foto: Ingeborg Maas
Rüdiger und Monika Gollnick, Verleger Franz Engelen und Stadtarchivarin Sabine Sweetsir (v.l.) mit Fotos aus dem Besitz des Stadtarchivs, von denen einige auch im Buch abgedruckt sind.
NN-Foto: Ingeborg Maas

„Fremd im Feindesland Fremd im Heimatland“ ist der Titel, hinter dem sich ein Teil der deutschen Geschichte verbirgt, die vielen Menschen unbekannt ist. Es ist die Aufarbeitung der Geschehnisse aus den Jahren 1945/46, die gerade hier am Niederrhein noch vielen Menschen auch nach Ende des Krieges unglaubliches Leid brachten.
„Im Frühjar 1945 hat es hier in der Region eine Völkerwanderung unvorstellbaren Ausmaßes gegeben“ so Rüdiger Gollnick bei der Vorstellung seines Buches. „Zum einen wurden hunderttausende deutsche Kriegsgefangene aus dem Ruhrgebiet und Münsterland auf die linke Rheinseite transportiert. Sie wurden auf den Feldern und Wiesen in drei Großlagern bei Büderich, Rheinberg und Wickrathberg regelrecht abgeladen. Die Amerikaner errichteten auch an vielen anderen Orten in Deutschland Lager, in denen die Gefangenen unter erbärmlichsten Verhältnissen Wochen und Monate dahinvegetieren mussten.“
Am Niederrhein war die 6. Infanterie-Division der Amerikaner, die kurz zuvor noch in blutige Kämpfe mit den Deutschen verwickelt war, für die Bewachung der Gefangenen und die Organisation der Lager zuständig. „Wie sie später zugaben eine Aufgabe, mit der sie völlig überfordert waren“ so Gollnick. Auch das belegt er in seinem Buch. Und er stellt die Frage, ob es wirklich nur Überforderung war oder ob die schlechte Behandlung nicht auch als Strafe angewendet wurde.
In Erlebnisschilderungen und Berichten von ehemaligen Kriegsgefangenen und in vielen Abbildungen werden die menschenunwürdigen Zustände und Probleme eingehend dargestellt.
Zu diesen Menschenmassen, die versorgt werden mussten, kamen -zigtausende Zwangsarbeiter, die nach der Befreiung durch die Alliierten versuchten, sich in ihre Heimat durchzuschlagen. Auf ihrem Weg mussten sie sich irgendwie mit Nahrung versorgen und so kam es zu vielen Delikten wie Raub, Überfälle und auch Tötungen.
Die Briten versuchten, diese Menschen, die als „Displaced Persons“ bezeichnet wurden, in sogenannten DP-Lagern aufzufangen, sie zu versorgen und zu registrieren – ein Unternehmen, das die Besatzer vor schier unlösbare Aufgaben stellte. In dem Buch wird das ganze Ausmaß an zwangsdeportierten Menschen, die am unteren Niederrhein lebten, anhand von Zahlen und Nationalitätenangaben deutlich. Riesige Sammellager wurden errichtet, eines in Kevelaer, ein weiteres in Haldern, wo bis zu 15.000 DPs untergebracht wurden. Auch hier belegen viele Zeitzeugenberichte, wie das Leben dieser Menschen damals ablief.
Zudem werden historische Hintergründe und Entwicklungen in der deutschen Wirtschaft der Dreißiger/Vierziger Jahre und die alliierten Überlegungen und Konzeptionen zur Bewältigung der Probleme hinsichtlich der Displaced Persons an Hand von Dokumenten dargestellt.
In zweieinhalbjähriger Recherchearbeit ist dieses Buch entstanden. Neben Interviews mit Zeitzeugen forschten die Gollnicks  in den kommunalen Archiven des unteren Niederrheins und in andedren Archiven, teils auch im Ausland.  „Wir haben von den Archiven und ganz besonders von Frau Sweetsir in Rheinberg eine phänomenale Unterstützung erfahren“ bedankt sich  Rüdiger Gollnick. „Wir konnten davon profitieren und Netzwerke knüpfen, die sonst nicht möglich gewesen wären. In diesem Buch steckt also auch eine ganze Menge Sabine Sweetsir drin. Daher haben wir als Ort der Präsentation auch das Rheinberger Stadtarchiv gewählt.“
Erschienen ist das Buch im Pagina Verlag. 224 Seiten, Preis 19,80 Euro, ISBN 978-3-946509-11-0.

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