BEDBURG-HAU. 13 Uhr. Donnerstag. Eigentlich könnte man in Feierlaune sein: Eine tolle Ausstellung am Start, der Geburtstag in Sicht … und dann das: Feuerlaune. Geschossen wird aus allen Rohren.
Was gibt‘s Neues vom Kunstschloss? Diese Frage zu beantworten erfordert – wie soll man schreiben – diplomatisches Geschick und Kinokenntnis. Das gibt es in amerikanischen Gerichtsfilmen immer wieder einmal die Szene, in der Geschworene vom Richter dazu aufgefordert werden, etwas soeben Gehörtes quasi auf höchste Anordnung hin wieder zu vergessen. Ja geht denn das? Natürlich nicht. Niemand kann das. Aber man kann‘s ja mal anordnen.
Kürzlich herrschte in Moyland Pressekonferenzstimmung. Herzen im Prospekt, Herzen auf dem Plakat, Herzchen (schokoladig schwarz und weiß) auf dem Tisch („Greifen Sie zu!“) und Lebkuchenherzen im Karton – ach, du schöne Museumseligeninsel: Liebling Moyland. Man arbeitet sich durch das Programm: Was gibt‘s zu sehen, was gibt‘s zu erzählen. Was halt so gesprochen wird auf einer Pressekonferenz. Während man so redet, betritt eine Dame den Raum und reicht der (stellvertretenden) künstlerischen Leiterin ein A-4-Blatt. Wichtig sei das, sagt die Dame, entblattet sich und verschwindet.  Sie solle sagen, der Inhalt der Botschaft sei von Bedeutung für die Pressekonferenz, sagt sie vor dem Entschwinden. So werden Nachrichten bedeutend. Die Paust liest, was man ihr zugetragen. All das kanndarf berichtet werden. Noch hat alles seine liebe Ordnung, doch dann ist der Punkt erreicht, an dem die Situation – wie soll man schreiben – bizarr wird. Der Kollege fragt, ob denn zur Ausstellung ein Katalog erscheinen wird.
Hatte man nicht, bevor es losging, die Presseverlautbarung durchgelesen und eben dazu etwas gefunden? Hatte da nicht eine fett gedruckte Stelle den Punkt „Katalog“ aufgerufen. Ja. Nun allerdings setzt Konfusion ein, denn der Inhalt der zuvor hereingereichten Nachricht scheint mit der Pressemitteilung zu kollidieren. Ja – man hatte sie schon gelesen. Es stand ja da: Schwarz auf weißer ging es nicht. Jetzt allerdings … nun ja – jetzt darf nicht veröffentlicht werden, was man soeben gelesen hat. Offensichtlich (da kommt er wieder in Sicht – der Moyländer Maulkorbshügel) darf nicht vermittelt werden, was gerade noch (und doch jetzt auch noch) zu lesen dasteht. Anordnung der obersten „Heeresleitung“. Es schweigen die Vögelein im Walde … warte nur!
Nein, die Paust darf nichts sagen zum Katalog. Zu erfahren ist allerdings, dass es wohl einen fast druckfertigen Katalog gibt. In der Pressemitteilung (Liebling Moyland!) steht noch immer, was nicht übermittelt werden darf, dass nämlich … da dröhnt sie im Kopf: die Richterstimme. Die Geschworenen werden angehalten, das Gehörte nicht zur Kenntnis zu nehmen. Man möchte ja niemandem dem Zorn seiner Obrigkeit ausliefern. Aber so viel sei gesagt: Es wird wohl – nach derzeitigem Stand der Dinge – eher nicht mit einem Katalog rechnen können. Die Gründe … nun ja: da liegen sie gedruckt auf dem Tisch und sind doch geheim.
Von wegen Liebling Moyland. Nein, es gibt Häute, in denen man nicht stecken möchte. Also: Schön über die Ausstellung berichten und auch empfehlen, manche der zu den Kunstwerken verfassten Texte vor dem Hintergrund des Aktuellen einfach mal als Wasserstandsmeldung zu lesen.
Die (stellvertretende) künstlerische Direktorin hat jedenfalls nichts gesagt. Der (un)bekannte Absender der blattlichen Botschaft darf sich entspannt zurücklehnen. Vor Gericht dürfte die Klärung der Frage, wann eine Pressemitteilung offiziell ist, für Diskussionsstoff sorgen. Von der Pressemitteilung lässt sich das Folgende verwenden: „Für die Ausstellung … ein Katalog … Dieser kann … aufgrund … werden.“ Alles klar? Wer‘s genau wissen möchte, ruft vielleicht einfach mal beim Stiftungsvorstand an.
15 Uhr – Umschwung

Während man noch so schreibt, trifft eine Nachricht ein. Alles rückt in ein anderes Licht. Vielleicht darf man doch zitieren.  Bitte – kein Problem. Die Pressemitteilung: „Für die Ausstellung war ein Katalog geplant. Dieser kann leider derzeit aufgrund der kürzlich vom Verwaltungsdirektor der Stiftung Museum Schloss Moyland verhängten Haushaltssperre, die eine Kürzung auch bereits begonnener Projekte ebenfalls im künstlerischen Bereich um 30 Prozent vorsieht, nicht realisiert werden.“
Darf man‘s doch schreiben? Darf man. Allerdings, so Franz Rudolf van der Grinten, mit der richtigen Begründung. Und die geht so: Der Katalog – druckfertig und finanziert. Man könnte produzieren.
Der Grund für den Nicht-Druck: Düsseldorf. Nein – nicht das Ministerium. Es liegt ein Schreiben von Eva Beuys vor, die mit dem Druck des Kataloges in seiner jetzigen Form nicht einverstanden ist. Wenn dem so ist, wäre der in der Pressemitteilung angegebene Grund falsch. Grundfalsch gewissermaßen. Ist Kopfschütteln abgebracht? Mindestens. Auf dem Maulkorbshügel scheint ein Kampf zu toben. Sünden und Böcke werden vermischt. Das postfaktische Zeitalter hat also Einzug gehalten. Traurig legt man den Stift beiseite.
Man denkt an einen Text auf der Wand der Ausstellungshalle: „Humor ist überall, man muss ihn nur entdecken.“ Liebling Moyland ist eine schöne Ausstellung. Sehenswert. Lesenswert. Über allen Gipfeln ist Ruh. In allen Wipfeln spürest du …

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