Kurt kann Karneval

Im zivilen Leben ist der neue Kranenburger Prinz Busfahrer aus Überzeugung

KRANENBURG. Alles wird gut. Niemand muss laufen. Der Kurt lässt sich fahren. Vom Chef. Potzblitz. Was will man mehr? Bleibt nur noch eine Kleinigkeit zu klären: Wer ist Kurt? Kurt – na, das ist doch der, der in Kranenburg seit 2009 die Garde kutschiert. Was heißt kutschiert? Bussiert. Aber: Bussieren klingt doch nach Küsschen. Dabei ist der Kurt quasi eine karnevalistische Dreieinigkeit: Alleinunterhalter, Beichtvater, Psychologe. Und jetzt mal der Reihe nach. Jawoll.

Wenn die Session beginnt wird der Kranenburger Prinz zumindest bustechnisch das Steuer aus der Hand geben. Dann werden Kurt Lohmann und sein Funkenmariechen Majbrit Janssen standesgemäß mit Chaufeur unterwegs sein. NN-Foto: Rüdiger Dehnen
Wenn die Session beginnt wird der Kranenburger Prinz zumindest bustechnisch das Steuer aus der Hand geben. Dann werden Kurt Lohmann und sein Funkenmariechen Majbrit Janssen standesgemäß mit Chaufeur unterwegs sein. NN-Foto: Rüdiger Dehnen

Kennen Sie den? Ein Operntenor fährt, euphorisiert vom Erfolg der Abendvorstellung, im Auto nachhause und kommt in eine Polizeikontrolle. „Was gibt‘s, meine Herren?“, fragt der Sänger und bekommt als Antwort: „Wir suchen einen Serienräuber.“ Der Tenor fährt weiter, dreht nach 500 Metern um, fährt zurück zum Polizisten und sagt: „Okay, ich mach‘s.“ Nein, der Kurt ist weder Startenor noch Serienräuber, aber die Sache mit dem „Okay, ich mach‘s“ – die hat was mit seiner Geschichte zu tun.

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Also: Der Kurt heißt hinten Lohmann, ist 62 Jahre alt und Busfahrer aus Überzeugung. Zwischendrin hat er‘s mal auf dem Lastwagen versucht, aber Alleinsein ist seine Sache nicht. Kurt fährt für Stiehl – so heißt sein Chef. Kurt fährt – siehe oben – seit 2009 die Kranenburger Garde. Allerdings immer nur bis Altweiber. Danach – man traut es sich kaum zu sagen – danach ist Kurt alljährlich Antikarnevalist. Falsch. Nicht Kurt ist der Antikarnevalist, er chauffiert/kutschiert/bussiert die Antikarnevalisten im höheren Auftrag. Da gibt es ein Reiseunternehmen, das den Kurt bucht. Da fährt er dann mit antikarnevalistischer Reisegruppe irgendwohin, wo Karneval nicht stattfinden. Der Veranstalter bucht den Kurt. Kurt oder keiner. In diesem Jahr allerdings wird alles anders. Und das kam so: In einer der letzten Sessionen spürte Kurt Melancholie im Gardebus. Einer wie er fragt nach. „Watt is los?“ Kurt erfährt: Der Prinz für 2016/17 hat abgesagt. Das designierte Funkenmariechen: Todtraurig. Da geht er hin – der Lebenstraum. Aber da haben die Karnevalisten die Rechnung ohne den Kurt gemacht. „Wenn ich es machen würde, würdest du dann mein Funkenmariechen?“, fragt Kurt die Trauernde. „Auf jeden Fall“, sagt sie. Und sie sagt auch: „Das gebe ich dir schriftlich.“ Und Kurt sagt: „Okay, ich mach‘s.“ Hat er‘s denn schriftlich von seinem Mariechen? „Nein.“ Aber sie macht‘s. Majbrit Janssen wird dem Kurt sein Funkenmariechen, und der Kurt wird neuer Prinz in Kranenburg, obwohl er doch kein Kranenburger ist und auch nicht da wohnt. Der Kurt wohnt in Kellen, aber die Kranenburger nehmen ihn trotzdem. „Ein bisschen Angst hatte ich schon, dass es nicht klappt“, sagt der Kurt. Und der Kurt sagt auch: „Die Kranenburger, das sind lauter nette Leute. Wenn Prinz, dann da.“

[pull_quote_left]Ein bisschen Angst hatte ich schon, dass es nicht klappt. Aber die Kranenburger, das sind lauter nette Leute. Wenn Prinz, dann da.[/pull_quote_left]Prinz ist ein karnevalistisches Lebensziel. „Das musst du wirklich wollen“, sagt der Kurt. Allein die „Anzüglichkeiten“ (gemeint ist das Kostüm!) stehen mit   über 4.000 Euro zu Buche. Nä, ne? Doch, wohl! „Natürlich geht nichts ohne Sponsoren“, sagt der Kurt. Die Prinzenrolle gibt‘s nicht zum Nulltarif. Und das ist auch gut so. „Da habe ich für gespart“, sagt der Kurt. Und was sagt die Lebensgefährtin? Schließlich wird Knut demnächst mehr mit seinem Funkenmariechen unterwegs sein, als mit seiner Brigitte. „Natürlich haben wir das im Vorfeld besprochen“, sagt der Kurt. Und die Brigitte, seine Partnerin, hat ihm zugeraten. Er soll‘s machen, hat sie gesagt. Er wünscht es sich doch so sehr. Jetzt macht er‘s. Und freut sich drauf. Aber sowas von. Zurück zum Anfang: Müssen die Kranenburger Karnevalisten jetzt zu ihren Terminen laufen? „Von wegen. Der Andre fährt uns“, sagt der Kurt. Und der Andre ist dem Kurt sein Chef. Na bitte, wenn das nichts ist: Vom Chef gefahren werden – das ist nicht alltäglich. Und dass einer vom Gardechauffeur zum Prinz mutiert, ist auch keine Alltagsgeschichte. Vielleicht hat ja die Karnevalsfee, so es sie gibt, irgendwann mal Kurts Bus geküsst.  Andererseits: Das wäre aufgefallen. Wenn ein Bus zum Prinz wird, würde ja am Ende der Bus fehlen. So kann‘s also nicht gewesen sein.

Am 12. November wird der Neue proklamiert. Und wie wird er heißen? Psst. Noch ist der Kurt nicht proklamiert, aber – so viel sei verraten – Kurts Prinzentitel hat auch ein bisschen was mit dem neuen Gardechauffeur zu tun. Nach der Proklamation geht‘s für den Neuen dann auch gleich zur Sache. Termine jede Menge. Proklamation in Kleve, Proklamation in Groesbeek, Proklamation in Bedburg-Hau. Und ab Januar hat der Kurt sich Urlaub genommen – bis Ende Februar. Am 28. Februar ist Rosenmontag. Aber was ist schon Rosenmontag für einen Kranenburger Prinzen? In Kranenburg ist der Tulpensonntagszug Höhepunkt des Straßenkarnevals. Der Kurt freut sich. Auf alles. Längst hat er mit Garde und Tanzgarde Bewegung geübt. Kurts Garde: 27 Wackere, alles Jungs. Die Adjutanten: Der Dombi (Sven Dombrowska) und  Jan Baumann. „Ohne die Adjutanten geht gar nichts“, sagt der Kurt. Die Adjutanten machen die Termine und wenn der Prinz wissen möchte, wann es wohin geht, dann kann er im Plan nachschauen, den die Adjutanten machen. Prinz ist ja nun kein Lehrberuf. „Stimmt“, sagt der Kurt, „aber der Daniel – das ist der Prinz vom letzten Jahr – der hilft mir und den kann ich alles fragen, was mit dem Thema zu tun hat.“ Gut zu wissen. Fest steht: Kurt kann Karneval. Wenn einer jahrelang den Bus fährt, in dem sich alles abspielt, dürfte allein das für ein Buch reichen, aber: Psychologen und Beichtväter müssen auch schweigen können. Man wünscht dem Kurt und seiner Majbrit eine tolle Session. Und danach gibt‘s auch noch Ziele: Mit dem Bus zum Nordkap. Irgendwann mal.

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