Hauptsache ein Dach überm Kopf -reicht das zum Leben?

Mängel und Enge in der „Notunterkunft“ in Vynen erschweren Obdachlosen das Leben

XANTEN. Obdachlosigkeit ist ein Thema, das aus Sicht von   Betroffenen und Nicht-Betroffenen völlig unterschiedlich betrachtet wird. Während es für die Betroffenen der tägliche Kampf ums Überleben bedeutet, ist es für Nicht-Betroffene eher ein Tabu-Thema. So wundert es nicht, dass das Haus am Rheindamm 38 in Vynen, das der Stadt Xanten auch als Notunterkunft für Obdachlose dient, von den einen wie eine Art „Endstation“ gesehen wird und von den anderen lieber gemieden wird.

Dieses Haus am Rheindamm in Vynen dient auch als „Notunterkunft für Obdachlose“ der Stadt Xanten. Geplant waren sie als „Schlafstätte für den Übergang“ , doch die dafür nicht geeigneten Räume werden zum Dauerwohnen genutzt. Bauliche Mängel erschweren den Obdachlosen zusätzlich das Leben. NN-Foto: Lorelies Christian
Dieses Haus am Rheindamm in Vynen dient auch als „Notunterkunft für Obdachlose“ der Stadt Xanten. Geplant waren sie als „Schlafstätte für den Übergang“ , doch die dafür nicht geeigneten Räume werden zum Dauerwohnen genutzt. Bauliche Mängel erschweren den Obdachlosen zusätzlich das Leben.
NN-Foto: Lorelies Christian

Bettina Beil-van Dijk vom Verein „Shalom“ – Hilfe für Mensch und Tier und weitere ehrenamtlichen Mitstreiter des Vereins kommen regelmäßig in dieses Haus. „Nach meiner Meinung sind die Lebensbedingungen hier menschenunwürdig“,  lautet ihr Vorwurf mit Verweis auf zahlreiche bauliche Mängel (unter anderem kein heißes Wasser, defekte Stromleitungen, Schimmel an den Wänden). Eine Waschmaschine für elf Personen (für Männer und Frauen) – das sei zu wenig, ebenso zwei Toiletten und nur eine funktionierende Dusche. „Hier hat kein Bewohner eine Privatsphäre“, stellt sie fest angesichts der Verteilung von zwei fremden Menschen in einem zehn Qudratmeter großen Zimmer, in dem gerade mal Platz ist für zwei Betten, eine Kommode und eine Kochgelegenheit mit Spüle (leider funktioniert der Wasserzufluss nicht). Kein Sozialraum, kein Kühlschrank, kein Esstisch mit Stühlen, nichts.
Die Partei Die Linke, Ortsverband Xanten-Sonsbeck, hat einen Antrag an den Rat gestellt und bittet um Überprüfung der Obdachlosenunterkünfte. Der Antrag war für die letzte Sitzung am 6. Oktober zu spät eingereicht worden, doch soll der Ausschuss für Soziales und Generationen ihn in seiner nächsten Sitzung behandeln. Bürgermeister Thomas Görtz hat inzwischen den Baubetriebshof gebeten, sich um die baulichen Mängel zu kümmern. Er stellt klar: „Bei dem Haus in Vynen handelt es sich um eine Notunterkunft, die nicht zum Dauerwohnen gedacht ist und nur Obdachlosigkeit verhindern soll.“ Doch nicht nur er weiß, dass faktisch einige Personen bereits seit Jahren hier leben.
Eigentlich sollte nach dem „Zwischenstopp“ in Vynen die Vermittlung in eine eigene Wohnung erfolgen, die Stadt und die Caritas-Beratungsstelle und der Verein Shalom bemühen sich darum. Doch bezahlbarer Wohnraum in Xanten ist knapp und wer möchte schon gerne an Menschen vermieten, die nicht in das Kategorien-Denken unserer Gesellschaft passen?  Und schon dreht sich der Teufelskreislauf: Ohne Wohnung keine Arbeit, ohne Arbeit kein Verdienst, ohne Geld keine Perspektive, ohne Perspektive das Bedürfnis, den Kummer  mit Alkohol zu betäuben.
Es ist unbestritten, dass die räumlichen Verhältnisse für die Menschen, die durch kritische Lebensphasen in diese Situation geraten sind, helfen würden, wieder daraus zu finden. Doch noch mehr bräuchten sie „Kümmerer“. Ehrenamtler – wie die vom Verein Shalom – leisten hier sehr gute Arbeit, doch Ehrenamt alleine wird an dieser Stelle überfordert. Ein ausgebildeter Streetworker könnte mit Unterstützung der ehrenamtlich Tätigen hier gute Arbeit leisten.
„Jeder hat seine eigene Geschichte“, weiß Bettina Beil-van Dijk aus ihrer dreieinhalbjährigen Betreuungszeit, in der sie das Vertrauen der am Rande der Gesellschaft stehenden Menschen erworben hat. Sie ist realistisch genug zu wissen, dass sich nicht jeder in unser gesellschaftliches Leben wieder eingliedern lässt, möchte aber nicht alle  über einen Kamm scheren und denen Chancen eröffnen, die einen Neuanfang schaffen können. Und sie hat Herz genug, jedem Obdachlosen mit Respekt und Akzeptanz gegenüberzutreten.

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