Der lange Weg zum Erfolg

Interview mit Isabell Werth : Rückblick auf Olympia, Ursachenforschung und Zukunftspläne

RHEINBERG. Mit sechs olympischen Gold- und vier Silbermedaillen ist Isabell Werth aus Rheinberg die erfolgreichste Dressurreiterin der Welt. Nachdem sie auch von den Olympischen Spielen in Rio mit einer Mannschafts-Goldmedaille und einer Silbermedaille in der Einzelwertung zurückkehrte und nach einem überwältigenden Empfang durch ihren Reiterverein Graf von Schmettow Eversael zog sie sich zunächst einmal für eine Woche ins Privatleben zurück, ehe nun wieder der Alltag beginnt. NN-Redakteurin Ingeborg Maas hatte Gelegenheit, mit Isabell Werth über ihre Erfolge zu sprechen und darüber, wie die Zukunft aussehen wird.

Bei ihrem Empfang in Rheinberg konnte Isabell Werth ihren fans ihre Gold- und Silbermedaille präsentieren. NN-Foto: Theo Leie
Bei ihrem Empfang in Rheinberg konnte Isabell Werth ihren fans ihre Gold- und Silbermedaille präsentieren. NN-Foto: Theo Leie

Frau Werth, haben Sie sich schon ein bisschen erholen können?
Also ehrlich gesagt hat mein Kind jetzt fast sieben Tage lang meine Hand nicht mehr losgelassen, ich brauch jetzt bald wirklich Urlaub.

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Wenn Sie jetzt mit einigem Abstand zurückblicken, was war für Sie die größte Überraschung bei den Olympischen Spielen?
Wenn ich ehrlich bin, dann hatten wir natürlich mit Gold in der Mannschaft ein bisschen geliebäugelt. Wir hatten schon vorher gesagt, wir müssen den Anspruch haben, um Gold zu kämpfen, weil die Ergebnisse im Vorfeld ein biss­chen dazu berechtigt haben. Aber dass es dann auch zu Silber in der Einzelwertung reichte, das war schon eine sehr, sehr befriedigende und auch glücklich stimmende Situation.

Hätten Sie das Weihegold im Vorfeld zugetraut?
Also sie hat sich ja immer weiter entwickelt, aber dass das jetzt schon so gut funktionieren würde, das konnte man im Vorfeld nicht ahnen, dass muss man wirklich sagen.

Diese neuerlichen Erfolge, wirkten sie sich  jetzt ganz konkret in Ihrem Umfeld oder in Ihrer jetzt auf Sie zukommenden Arbeit aus?
Nein, ich glaube nicht, unser Tagesgeschäft bleibt davon unberührt. Außer dass es jetzt die letzten zwei Wochen sehr chaotisch war und nun langsam wieder Ruhe einkehren muss. Meine Passion und Freude ist es, mit Pferden zu arbeiten und sie auszubilden und daran wird sich nichts ändern.

Sie wurden in der olympischen Berichterstattung immer wieder als die beste Dressurreiterin der Welt angekündigt. Wie fühlt sich das für Sie an?
Ich hab es selbst noch gar nicht gehört, man hat es mir nur erzählt, Es ist natürlich schön, dass man diese Anerkennung bekommt und die Tatsache, dass wir über so viele Jahre mit den unterschiedlichen Pferden erfolgreich sind, das ist natürlich sehr erfreulich und führt eben zu dieser Anerkennung. Aber wir kennen die guten und die schlechten Zeiten und sind durch beide hindurchgekommen und versuchen trotzdem, mit beiden Füßen auf dem Boden zu bleiben. Wir wissen, das kommt nicht von ungefähr, das ist eine Entwicklung über viele, viele Jahre hinweg. Es freut mich natürlich zu hören, aber wir heben jetzt nicht ab in dem Sinne: „Oh, jetzt glaubt die ganze Welt, ich bin die beste Reiterin“ sondern ich weiß, dass das jeden Tag wieder mit neuer Arbeit verbunden ist.

Was glauben Sie denn, woran es liegt, dass ausgerechnet die deutschen Reiter eigentlich immer bei olympischen Spielen so erfolgreich sind, während andere Verbände ja teilweise doch geschwächelt haben?
Das liegt daran, dass wir jetzt wieder mit guten Kombinationen an den Start gehen konnten. In London vor vier Jahren konnten wir nicht um Gold mitreiten, aber jetzt ist eben eine Tina (Kristina Bröring Sprehe, Anm.d.Red.) mit Desperados dabei, die sich inzwischen etabliert hat. Wir haben sicher die stärkste Breite mit Pferden, mit Trainern, mit Reitern und haben dadurch wieder mehr Möglichkeiten, Nachwuchs zu rekrutieren.

Glauben Sie also, dass sich man vielleicht in anderen Verbänden daran orientieren könnte, wie das Heranführen von Nachwuchs in der Reiterei gehandhabt wird?
Na ja, Sie müssen in der Reiterei in Generationen denken, das ist wohl der Unterschied zu anderen Sportarten. Eine Pferdegeneration, das sind fünf bis acht Jahre und bis ein Reiter gelernt hat, Pferde auszubilden, das geht mindestens so lange einher. Da müssen Sie mal mindestens zehn Jahre rechnen, um auch mit den Pferden zusammenzuwachsen. Wenn Sie heute mit einem dreijährigen Pferd beginnen, dann sind Sie erst in sechs Jahren annähernd so weit, dass Sie überhaupt an den Grand Prix denken können. – wenn Sie denn als Reiter schon die Erfahrung mitbringen. Und dafür haben Sie dann ja auch schon vorher zehn Jahre gebraucht. Es ist also eine sehr langwierige und sehr langlebige Geschichte und deshalb kann man ja bei uns auch rund 20 Jahre länger im Geschehen bleiben als anderswo im Sport. Sie haben also einen sehr langen Weg und müssen wirlich in Generationen denken. Das kann man mal nicht eben in einer Olympiade (vier Jahre, Anm.d. Rd.) umswitchen, sondern man muss eher in zwei Olympiaden denken.

Wenn Sie in diesen Zeiträumen denken, dürfen wir Sie also 2020 in Tokio wieder erwarten?
Da ich nicht aufhören möchte und auch glaube, alterstechnisch  noch nicht zu denen zu gehören, die aufhören müssen, werde ich sicherlich noch ein paar Jahre weitermachen. Und wenn wir gut genug sind, werden wir auch in Tokio dabei sein.

Wie geht es denn Bella Rose? Wird sie denn vielleicht Ihr Pferd der Zukunft sein?
Der geht es  – toi toi toi – sehr gut  und es wäre natürlich ein Traum, mit ihr teilzunehmen. Aber dafür ist es jetzt natürlich zu früh und wir schauen mal, was dabei raus kommt.

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