BEDBURG-HAU. Vielleicht ist Kunst das Gegenteil von Diskretion, obwohl sie gleichzeitig ihr wichtigstes Sprachrohr ist. Wer kann das sagen?
In jedem Fall verspricht es Spannung, wenn Künstler – quasi öffentlich – über das Problem „InDiscreet – The Problem of Intimacy“ [InDiskret – Das Problem der Intimität] nachdenken. Eben das haben Dagmara Angier-Sroka, Dirk Baxmann, Satomi Edo, Regina Friedrich-Körner, Zahra Hassanabadi, Almuth Hickl, Tom Horn, Gudrun Kattke, Judith Lesur, Renate Löbbecke und Bartek Sroka während eines 14-tägigen Künstler-Symposiums im ArToll Kunstlabor in Bedburg-Hau getan.
Am Samstag, 30. Juli, werden die so entstandenen Arbeiten in der Zeit zwischen 14 und 19 Uhr im Kunstlabor (Zur Mulde 10, Bedburg-Hau) zu sehen sein.

Niemand ist unbeobachtet. Die Arbeit von Dagmara Angier-Sroka macht deutlich, dass kaum etwas ohne Beobachtung möglich ist. NN-Foto: HF
Niemand ist unbeobachtet. Die Arbeit von Dagmara Angier-Sroka macht deutlich, dass kaum etwas ohne Beobachtung möglich ist.
NN-Foto: HF

Intimität, das stellt sich schnell heraus, ist nicht einfach zu definieren. Für die einen stehen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit im Fokus, andere legen, suchen und finden das Intime im Inneren der Seele, des Körpers oder einer sozialen Struktur. Für die einen ist Intimität der Blick in den eigenen Abgrund, für andere der scheinbar verbotene Blick in andere Leben.
So geben einige Arbeiten der Präsentation den Blick des Betrachters auf das Kunstwerk nur durch ein eingeschränktes Blickfeld (Luke, Spion) frei, machen den Besucher also quasi zum Voyeur und stellen so das Paradox des Öffentlich-Intim-Öffentlichen her, ohne die Frage zu erörtern, ob die Indiskretion im Hinsehen oder aber in dessen Verweigerung zu finden ist.  Dagmara Angier-Srokas auf die Wände gemalte Augen lassen das schale Gefühl zurück, dass niemand unbeobachtet einen Raum durchqueren kann und kreuzen so unvermittelt in einer datenerfassten Wirklichkeit auf.
Zahra Hassanabadi beschäftigt sich mit Haaren und schreibt zu ihrer Arbeit: „Haare sind unsere zweite Haut und können viel über uns verraten. Sie sind schmückend und schützend und manchmal verkörpern sie Sinnlichkeit.“ Abgeschnittene Haare sind angefangene Geschichten, die der Betrachter zu Ende erzählen kann. Wer jemals in Auschwitz vor zu Bergen aufgetürmten Schuhen der Opfer gestanden hat, begreift schnell, dass Hassanabadis Arbeit Geschichten und Assoziationen im Betrachter wachruft. Alles, was Menschen tun, was sie zurücklassen, was sie schreiben, wie sie wohnen – alles wird beständig zur Tür, über die andere ein Leben betreten können und schnell wird klar, dass Intimität etwas mit dem Recht am eigenen Ich zu tun hat. Knochen in einer Vitrine betreten längst einen Grenzbereich, denn es bleibt die Frage, was getan werden darf und was nicht.
Alles in der Ausstellung ist Anstoß ohne anstößig zu wirken. Alles in der Ausstellung ruft eine zweite Ebene auf – ist ein Verweis auf den ureigenen Umgang mit dem Privaten, Intimen. Alles umkreist den Zwiespalt zwischen Zurückgezogenheit und Zurschaustellung. Insofern ließe sich „InDiscreet – The Problem of Intimacy“ in jedem Fall als politisch und hochbrisant lesen, aber  die Präsentation – und eben hier liegt ihre Stärke – setzt keinen Zeigefinger an. Sie macht sich nicht zur besserwisserlich-moralischen Instanz, sondern zeigt etwas von der Verletzlichkeit äußerer und innerer Räume.

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