Hühner, Kirschen, Lockenwickler

Tattoos haben ihre Geschichte – manche sind eine Art Tagebucheintrag aus dem eigenen Leben

NIEDERRHEIN. Am 8. Dezember: Die Reise nach Hamburg. Frauenkopf mit Bärenmütze. Ein Kopfsalat in körperlicher Nachbarschaft …

Nadine Trepmann ist Sozialarbeiterin in der Justizvollzugsanstalt  Geldern-Pont. NN-Foto: HF
Nadine Trepmann ist Sozialarbeiterin in der Justizvollzugsanstalt Geldern-Pont.
NN-Foto: HF

Nadine Trepmann hat Katholisch gelernt – kein Wunder: Sie kommt aus Kevelaer. Wer katholisch ist, hat ein natürliches Verhältnis zu Ewigkeiten. Ewigkeit beginnt mit der Endlichkeit. Mindestens bis dahin reicht ein Tattoo. Trepmann ist Messdienerin gewesen und Mittlere Reife und Fachabitur hat sie „im Nonnenbunker” gebaut. „So nannten wir die Liebfrauenschule in Geldern”, sagt sie und fügt an: „Das war eine sehr schöne Zeit.” Na bitte. „Als Kind habe ich viel Zeit mit meinen Großeltern verbracht. In Bedburg-Hau wohnten meine Großeltern väterlicherseits. Die arbeiteten dort beide als Pfleger.” Trepmann hatte früh Kontakt zu „Menschen in besonderen Situationen”, wie sie es nennt. „Ich weiß noch, dass ich mein erstes Schulpraktikum in ‚Haus Dondert‘ gemacht habe. Da leben alkoholkranke Menschen.” Trepmann war gerade einmal 14. Längst stand fest, dass sie später „etwas Soziales” machen wollte. Nach dem Fachabitur beim „Nonnenbunker” begann sie ein Studium der Sozialarbeit in Holland. „Holland war genau das Richtige für mich, denn da stimmt die Mischung von Theorie und Praxis. Du sitzt nicht drei Jahre lang in Hörsälen und triffst dann erst auf die Menschen, mit denen du arbeiten wirst.” Trepmann absolvierte ihre Praxiseinheiten in Deutschland, „und ich hatte das Glück, dass ich im Studium noch alles auf Deutsch machen konnte.” Ihr erstes Praktikum während des Studiums: Bewährungshilfe Kleve. „Für mich stand immer fest, dass ich mit Menschen in besonderen Lagen arbeiten wollte.” Jugend- oder Altersheim – irgendwie nicht ihr Ding. Ihr letztes Praktikum vor dem Examen absolvierte sie im Gelderner Knast. Da ist sie auch heute noch: Lebenslänglich, wenn es nach ihr geht. In der Freizeit: Viel Musik. Trepmann ist leidenschaftliche Konzert- und Festivalbesucherin. Hiphop, Rap – das ist ihrs. „Ich brauche Musik, die eine Geschichte erzählt und mich mitnimmt.” Außer Musik und Kegeln wäre da noch die Borussia. Nachname: Mönchengladbach. Wenn es zu weiter entfernten Auswärtsspielen geht, gehört Trepman zur „Thekenmannschaft” im Sonderzug. Nein, sie spielt nicht Fußball im Zug, sondern serviert die Getränke. Wenn Heimspiel ist und sie keine Karte hat, wird mit Freunden am Fernseher geguckt. Fußball muss. Musik auch.

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Kopfsalat und Schnecke als Erinnerung an den Garten der Großeltern.
Kopfsalat und Schnecke als Erinnerung an den Garten der Großeltern.

Das erste Tattoo ließ Trepmann stechen, als sie 19 war. Drei Kirschblüten. Dazu die Initialen der Familie: Vater, Mutter, Bruder. „Familie ist total wichtig für mich.” Insgesamt hat Trepmann derzeit zehn Tattoos – alle von unterschiedlichen Künstlern. „Die Leute, die so was drauf haben, sind für mich nicht einfach Tätowierer. Das sind Künstler.” Trepmanns Tattoos: Eine Art Tagebuch auf der Haut. Irgendwie schräg. Eines der Bilder: Ratte und Fuchs. Aha, „Mein Kegelverein heißt Rattenfuchs”, erklärt sie und der Schreiber denkt: Familiennamen – nachvollziehbar. Kegelverein? Muss das? Für Trepmann steht fest: Muss. „Gehört zu mir.” Keine Angst vor der Ewigkeit. Die Tattoos müssen ins eigene Leben passen. So kam der Kopfsalat auf den Arm. Kopfsalat? Echt jetzt? „Echt jetzt.” Nadine wollte etwas, das mit den Großeltern zu tun hatte. Sie setzte sich hin und sammelte Begriffe, die etwas damit zu tun hatten. Kaninchen, Äxte, Spielkarten, Hühner, Kirschen, Lockenwickler und … Kopfsalat. „Zeig mir jemand, der einen Kopfsalat auf dem Arm hat”, sagt sie. Dürfte schwierig werden. Fest steht: Trepmanns Tattoos sind nicht trendgebunden. Wär hätte je davon gehört, dass der Trend (auf dem Arm) Richtung Salat geht. Haben die Großeltern das noch erlebt? „Zwei von ihnen. Mein Großvater”, sagt Nadine, „ist die coolste Sau der Welt.” Mehr Liebe kann nicht in einem Satz stecken. Was hat am meisten weh getan? Schnelle Antwort: „Fuß. Das kannst du dir nicht vorstellen. Der Tätowierer hat zwischendrin eine Pause gemacht und nachher den Fuß fixiert.” Wer schön sein will … „Und was soll ich dir sagen: Kaum ist nach einer Woche alles abgeheilt, da denkst du schon an den anderen Fuß.” Trepmanns Ziel: Alles wird bunt. Dekolleté, Hände, Nacken und Gesicht ausgenommen.

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Wir brauchen neues „Futter” für unsere Serie „Stechen geblieben”. Wer seine ganz persönliche Tattoo-Geschichte erzählen möchte, kann sich gerne bei uns melden. Einfach eine E-Mail mit Infos (kurz) an tattoo@nno.de schicken und die Telefonnummer nicht vergessen, damit wir uns melden können.[/quote_box_left]Tattoos auf dem Rücken? „Warum nicht?” Zum Beispiel, weil frau die nicht selber sehen kann. „Egal.” Fühlt Nadine sich schöner mit den Tattoos? „Ja. Ich fühle mich gut damit.” Mittlerweile respektive muttlerweile hat auch die Frau Mama ein Tattoo. Geschenk zum 50.: Drei Schmetterlinge und die Initialen der Restfamilie: Tochter, Sohn, Mann. Der Vater? „Eher unbegeistert in Sachen Tattoo.” Und im Knast? „Mein Chef findet die Tattoos nicht toll, aber es ist kein Problem. Außerdem sind sie alle so, dass man sie abdecken kann. Das war mir wichtig.” Das hat aber nichts mit Reue zu tun. Nadine mag jedes ihrer kleinen Kunstwerke und betont: „Ich bereue nichts.” Das nächste Tattoo? „Steht schon fest. Am 8. Dezember fahre ich nach Hamburg zu einer Tätowiererin und lasse mir einen Frauenkopf mit Bärenmütze stechen.” Der Spion, der aus der Kälte kam? „Nein. Das hat was mit meiner Liebe zu Berlin zu tun.” Nun denn – in ein paar Jahren treffen wir uns wieder zur Besichtigung des Gesamtkunstwerks Nadine Trepmann. Bis dahin.

 

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